: Graugrüner Rand
Das Interesse an ökologischen Aktien boomt. Problematisch ist ein gemeinsamer Index von Dow Jones und SAM, der nicht wirklich grün ist
Umwelt- und sozialverträgliche Aktiengesellschaften arbeiten zukunftsorientiert – und haben damit langfristig größere Chancen auf steigende Kurse. Das macht Ökofonds sowohl für renditebewusste als auch für umweltbewusste Anleger interessant. 12 Milliarden Mark sind in Deutschland bereits in grüne Werte investiert, die Hälfte davon von Privatanlegern, hat das Wuppertal Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung in einer Studie errechnet.
Das ist zwar immer noch nur ein Bruchteil des gesamten Fondsvermögens von über 560 Milliarden Mark, aber schnell steigend. Der Markt für ökologisch-ethische Produkte ist nach dem Urteil der Wuppertal-Studie „ein Markt mit bisher zweistelligen Zuwachsraten“.
In den USA geht bereits jeder zehnte Dollar, der angelegt wird, in Anlageformen mit ethischen oder ökologischen Kriterien. Wenn dieser Trend auch hierzulande stärker wird, ist ein gewaltiger Nachfrageschub für Ökofonds zu erwarten. Weltweit gibt es bereits rund 150 solcher Fonds, in Deutschland gerade mal 15. Aber einige Traditionshäuser sind jetzt in den Markt eingestiegen.
Doch wie findet man politisch und ökologisch korrekte Unternehmen? Großes Aufsehen erregte nun einer der big player: Der amerikanische Medienriese Dow Jones hat sich mit den Schweizer Vermögensverwaltern der SAM (Sustainability Asset Management) verbündet und einen so genannten „Nachhaltigkeits-Index“ (Dow Jones Sustainability Group Index, DJSGI) entwickelt. Aus den weltweit 2.000 Unternehmen im Dow Jones Global Index wurden 225 für den Sustainability-Index ausgewählt. „Die Branchenbesten!“, urteilt SAM stolz. „Mit einer Marktkapitalisierung von 4,2 Billionen US-Dollar.“
„Wir sind davon überzeugt, dass Sustainability zu einem der wichtigsten wirtschaftlichen und politischen Konzepte der kommenden Jahre wird“, sagt SAM-Chef Peter Ringger. „Wir untersuchen unter anderem, wie sich ein Unternehmen im Hinblick auf den immer wichtiger werdenden schonenden Ressourcenverbrauch positioniert.“
Konkrete Informationen nach der Vorgehensweise beim Rating und nach Kriterien für Bewertung der ausgewählten Unternehmen sucht man allerdings vergebens. 600 der 2.000 Unternehmen habe man auf Grund von Fragebögen und Berichten analysiert, teilt SAM mit. Darüber hinaus habe man auf bereits bestehende Datenbanken sowie auf Medienberichte zurückgegriffen.
Die Kriterien sind vage, möglicherweise mit Absicht. Negativkriterien wie Tierversuche, Gentechnik, Rüstungsproduktion und Atomkraftbeteiligungen, die bei anderen Ökofonds unverzüglich zum Ausschluss des betreffenden Unternehmens führen, gibt es beim Dow Jones Sustainability Group IndexDJSGI nicht. Ausnahme: Wenn ein Unternehmen mehr als die Hälfte des Umsatzes mit Waffen macht, hat es auch beim DJSGI keine Chance. Ob allerdings diese Messlatte, nach der bis zu 50 Prozent Waffenproduktion zulässig sind, den Wunsch von Anlegern nach ökologischen und ethischen Kriterien erfüllt, ist zu bezweifeln.
Auch andere Bestimmungen nähren den Eindruck, dass die ökologischen Kriterien eher lax gehandhabt werden oder sogar nur als Aushängeschild dienen. Ein besonderes Gewicht bei der Auswahl der Unternehmen habe, so heißt es mit Rücksicht auf die Kursentwicklung des Fonds, die finanzielle Performance der Unternehmen. Auf einen Nenner gebracht: Ökonomischer Erfolg wiegt ökologische Mittelmäßigkeit auf.
Diese Befürchtungen werden bestätigt durch den Blick auf die bisher bekannt gewordenen Unternehmen, die im Dow Jones Sustainability Group Index vertreten sein sollen. Zu den wenigen bisher veröffentlichten Mitgliedern des Indexes gehört der deutsche Autohersteller BMW, der bisher nicht gerade durch sparsamen Benzinverbrauch oder Drei-Liter-Autos von sich reden machte. Auch das „Investormagazin“ wunderte sich: „Einem umweltbewussten Anleger zu erklären, was ausgerechnet eine Autoaktie wie BMW in einem grünen Fonds sucht, dürfte nicht ganz einfach sein.“
Die Liste der weiteren Sustainable-Index-Mitglieder geht ähnlich weiter: Das amerikanische Unternehmen Honeywell ist bekannt als Hersteller von Landminen. Marubeni aus Japan und Stora aus Finnland haben einen schlechten Ruf durch das Abholzen von Urwäldern. Die norwegische Norsk Hydro ist in der Erdölförderung und -raffinerie tätig. Unilever (Niederlande) genoss in den vergangenen Jahren das zweifelhafte Vergnügen, von Greenpeace als einer der heftigsten Gegenspieler bei den Gentechnik-Lebensmitteln gebrandmarkt zu werden.
Wer solche Unternehmen als Branchenbeste in einem Index mit ökologischem Anspruch anpreist, setzt sich leichtfertig der Kritik aus, mit falschen Versprechungen auf Kundenfang zu gehen. Zumindest aber trifft der Vorwurf zu, dass die positiven Begriffe „Sustainability“ und „Nachhaltigkeit“ missbraucht und entwertet werden. In der breiten Palette von Investment-Instrumenten, die sich mit dem Etikett „ökologisch“ zu schmücken versuchen, ist der Sustainability-Index also am graugrünen Rand angesiedelt. NORBERT SCHNORBACH
Der Autor ist Mitarbeiter der Securvita Gesellschaft zur Entwicklung alternativer Versicherungskonzepte, Hamburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen