: Unbeliebt, aber ohne Alternative
Seit 100 Tagen ist Peter Strieder der Supersenator für Bauen, Stadtentwicklung und Verkehr. An seinem Image als Parteichef aber muss der „Möllemann der Berliner SPD“ noch feilen. Schafft er das wirklich, oder braucht die SPD genau so einen?
von RALPH BOLLMANN
Er ist der unbeliebteste Politiker Berlins. Nur PDS-Fraktionschef Harald Wolf schneidet in den Umfragen noch schlechter ab als Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD). Strieder sei den BerlinerInnen zu sprunghaft, glaubt Forsa-Meinungsforscher Manfred Güllner: „Die Menschen haben keine Strategie erkennen können.“
Schade eigentlich. Denn zu diesem Mann hat die Berliner SPD keine Alternative. Er ist der Landesvorsitzende, er ist der einflussreichste Senator der Partei, und er ist der wahrscheinliche Spitzenkandidat für die nächste Wahl. Bis dahin sind es noch mehr als vier Jahre. Eigentlich bietet das Bau- und Verkehrsressort dafür gute Gelegenheiten, und in Ansätzen hat Strieder schon erkennen lassen, dass er sie nutzen will: keine Baugruben für die Kanzlerlinie U 5, keine pauschale Preiserhöhung bei der BVG – da spricht der Senator mit Volkes Stimme.
Wenn er sich dabei bloß nicht selbst in die Quere kommt. Zwar ist es schon 20 Jahre her, dass Strieder als Juso-Landesvize amtierte. Doch wirklich erwachsen wirkt der gebürtige Franke noch immer nicht. Mal posiert er für ein Magazin mit den Füßen auf dem Schreibtisch, mal erscheint er mit Basecap auf der Beerdigung des jüdischen Oberkantors, mal lässt er sich von Unternehmern zu Freiflügen einladen.
Wer ihn noch nicht oft erlebt hat, empfindet Strieders Sprunghaftigkeit zunächst als lobenswerte Spontaneität – den Weggefährten geht sie meist auf die Nerven. Strieder vereinigt in persona alle Untugenden der Berliner SPD – deshalb haben ihn die Genossen gewählt, aber dafür hassen sie ihn auch. Große Reden und kleine Taten, Kurswechsel und selten eine klare Linie. So ist die Partei, und so ist Strieder, der Berliner Möllemann.
Eine Eigenschaft jedoch unterscheidet den 47-Jährigen von der Mehrzahl der Berliner Genossen. Er verfügt über einen ausgeprägten Machtinstinkt. Strieder verliert als Bezirksbürgermeister in Kreuberg die Mehrheit? Macht nichts, dann wird er eben Senator. Strieder verliert als Parteivorsitzender die Wahl zum Abgeordnetenhaus? Macht auch nichts, dann wird er eben Supersenator. Auf derart virtuose Weise Niederlagen in Karrieresprünge zu verwandeln, das funktioniert nur in dieser zerrütteten Partei. „Die Berliner SPD ist so marode wie die CDU auf Bundesebene“, glaubt Parteienforscher Richard Stöss, „sie hat es nur noch nicht gemerkt.“
Wie das Vorbild Gerhard Schröder will Strieder seinen Namen mit allem in Verbindung bringen, was als modern gilt. Reden alle von der „neuen Mitte“, plant Strieder Eigentumswohnungen für „Urbaniten“ mit Handy und Laptop. Ist gerade „soziale Gerechtigkeit“ angesagt, richtet sich die Stadtentwicklung à la Strieder wieder stärker an den Mietern aus.
Ob Strieder sein schlechtes Image bis zur nächsten Wahl in viereinhalb Jarhen aufbessern kann, „hängt weitgehend von ihm selbst ab“, glaubt Güllner. „Er müsste den Menschen Anlässe geben, um das anfängliche Negativurteil zu korrigieren.“
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