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Marokkos Männer streiten sich um Frauenrechte

Eine Million Marokkaner demonstrierte am Sonntag für bessere soziale Verhältnisse in ihrem Land – aber nicht gemeinsam. Die Regierung möchte Frauen per Gesetz mehr Rechte einräumen. Die islamistischen Parteien machen dagegen Stimmung und schrecken auch vor Gewalt nicht zurück

MADRID taz ■ Knapp eine Million Marokkaner gingen am Sonntag in Rabat und Casablanca für eine Verbesserung der sozialen Lage der Frauen auf die Straße. Was wie zwei Demonstrationen mit vergleichbaren Zielen aussah, zeugt von der tiefen Spaltung der marokkanischen Gesellschaft.

In Rabat versammelten sich über 200.000 Anhänger der sozialistischen Partei von Regierungschef Abdurrahmane Jussufi, den Gewerkschaften und der Frauenverbänden. Sie unterstützten ein Reformvorhaben des Sozialministeriums für mehr Chancengleichheit der Frau.

In Casablanca versammelten sich 600.000 Sympathisanten der beiden großen islamistischen Parteien – der im Parlament vertretenen „Gerechtigkeit und Entwicklung“ sowie der halblegalen „Gerechtigkeit und Geistlichkeit“. Ihr Motto: „Bessere Bedingungen für die Frauen unter absolutem Respekt vor dem Islam“. Die beiden Aufmärsche sind der Höhepunkt einer Auseinandersetzung zwischen „Modernisten“ und „konservativen Religiösen“, die vor knapp einem Jahr begann. Damals hatte der Staatssekretär für Familie und Kinder, Said Saadi, einen „Plan für die Integration der Frau in der Entwicklung“ vorgelegt. Saadi möchte das Bildungs- und Gesundheitwesen reformieren. Zwei Drittel der weiblichen Bevölkerung Marokkos sind Analphabetinnen, alle sechs Stunden stirbt eine Marokkanerin bei der Geburt ihres Kindes.

Um jungen Frauen eine umfassende Ausbildung zu sichern, soll nach Saadis Plan das gesetzliche Heiratsalter von 15 auf 18 Jahre hoch gesetzt und die Polygamie verboten werden. Damit möchte Saadi verhindern, dass Mädchen von ihren Vätern gegen Geld als Zweit- oder Drittfrau an betagte, aber betuchte Männer vergeben werden. Frauen sollen künftig über sich selbst entscheiden dürfen und nicht wie bisher von Vater oder Ehemann abhängig sein. Auch Frauen soll das Scheidungsrecht zustehen, statt wie bisher nur dem Mann.

Der Weg ins eigenständige Berufsleben ist den meisten Marokkanerinnen, oft wegen fehlender Ausbildung, verwehrt. „Das Recht der Frau auf Überleben“, nennt Saadi seinen Plan deshalb.

Die Islamisten sehen dies anders. Sie warnen vor der „zunehmenden Christianisierung“ der marokkanischen Gesellschaft und machen gegen „das freiheitliche, materialistische, verwestlichte Konzept“ Stimmung. In ihrer „Verteidigung von Familie, Staat und Gesellschaft“ schrecken sie auch vor Gewalt nicht zurück. Immer wieder überfallen sie Veranstaltungen der Frauenverbände und knüppeln auf die ZuhörerInnen ein. Demokraten und Frauenverbände sehen sie als die „dunklen Kräfte“ einer „Algerisierung“ Marokkos.

„Wer heute schweigt, der muss sich im Klaren sein: Es geht nicht nur um die Frauen, es geht um uns alle, um unsere Würde und um die Zukunft unserer Gesellschaft“, bittet dagegen einer der wichtigsten Verteidiger der Reform, der Geschichtsprofessor Muhammad Ennaji, um Unterstützung für Saadi. Ob dessen Plan in Form von Gesetzen durchs Parlament geht, hängt fast ausschließlich von Männern ab. Unter den 650 Abgeordneten der beiden Parlamentskammern sind nur vier Frauen.

REINER WANDLER

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