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Teure Anzüge und billige Behauptungen

Immer wieder versucht der selbst ernannte Historiker David Irving die Verbrechen der Nazis zu relativieren: Hitler sei gar nicht so schlimm gewesen. Neonazis in aller Welt lieben ihn dafür, nach Deutschland darf er nicht mehr einreisen

BERLIN taz ■ David Irving weiß, dass er „an physische Grenzen gestoßen“ ist. Sieben Stunden stand er täglich vor Gericht, „nachts habe ich oft bis vier Uhr gearbeitet“, lässt er seine Fans jetzt per Deutsche National-Zeitung wissen. Irving, selbst ernannter Historiker und Publizist, verliert seine neonazistisch denkende Kundschaft niemals aus den Augen.

Am Ende eines jeden Verhandlungstages klemmt er sich die Prozessunterlagen unter den Arm, eilt nach Hause und stellt sie ins Internet. Er legte ein Tagebuch des Prozesses an, mit Protokollen von Aussagen im Verfahren und mit diversen Links zu allen Webseiten, auf denen sein Name genannt wird.

Die verehrten Gefolgsleute registrieren die Dokumentenflut dankbar. „Unsere Rechtsabteilung verfolgte den Prozess mit hoher Aufmerksamkeit“, bestätigt Bernhard Dröse, Pressesprecher der Deutschen Volksunion (DVU). Offiziell mag die DVU keine Stellungnahme zum Prozess abgeben, doch Dröse ist „pesönlich fasziniert von Irvings überwältigender Kompetenz, dem Daten- und Faktenwissen“.

Der 62-jährige Irving, der kein Studium abgeschlossen hat, machte sich als Verfasser historischer Werke einen Namen. Sein Buch „Der Untergang Dresdens“ verschaffte ihm 1963 den Einstieg in die Riege der Bestsellerautoren über den Zweiten Weltkrieg. Hierfür sichtete er in britischen Militärarchiven, aber auch in Dresden, zuvor unbeachtete Unterlagen über die Hintergründe des englischen Luftangriffs auf die Stadt im Februar 1945. „Irving hat aus Dresden ein Symbol gemacht“, schwärmt DVU-Mann Dröse.

Irving, besessen von NS-Größen, brachte heftig umstrittene Biografien auf den Markt: über Feldmarschall Rommel, Reichsmarschall Göring aber auch über den britischen Premier Churchill. Deutsche Medien, wie Der Spiegel, druckten gerne Auszüge ab. Im Moskauer Zentralen Staatsarchiv durfte Irving die Tagebücher des Hitler-Demagogen Joseph Goebbels abtippen.

Seine Manie, sich nur auf Aktenmaterial als Quelle zu stützen, führte ihn nach und nach auf ein politisches Abstellgleis. Ende der Siebzigerjahre publizierte er ein Hitler-Buch, in der er sich zu der These verstieg, der Führer habe nichts von dem Massenmord an den Juden gewusst. Irving stützte sich dabei auf neue, jedoch nicht beweiskräftige Dokumente. Seither wird er von der Fachkritik geschnitten.

Unverdrossen versorgt er als Hitlers williger Anwalt die internationale braune Szene. Seine Botschaft an das Publikum heißt: Hitler war in Ordnung. Mal behauptet er, die Gaskammern in Auschwitz seien eine Fälschung, nach dem Krieg von Polen als touristische Attraktion errichtet. Ein anderes Mal will er zeigen, dass Churchill mehr Deutsche durch die Bombardements umbrachte als gedacht. Und Hitler weniger Juden. Will sagen: Der eine war genauso menschenverachtend wie der andere. Schon kurz vor der Wende tourte der Duzfreund von Theaterautor Rolf Hochhuth durch die DDR. Irving trat in Gera, Dresden und Leipzig auf. Auch nach der Wiedervereinigung mussten ihn die Fans nicht missen.

Vom Landgericht München II wurde Irving 1993 zu 30.000 Mark Strafe verurteilt, weil er seine Behauptung, in Auschwitz habe es „nie Gaskammern gegeben“ mehrfach öffentlich wiederholt hatte. Inzwischen wurde er mit einem dauerhaften Einreiseverbot für Deutschland belegt.

Die Treue der Neonazis zu Irving, dessen Mohair-Anzüge 2.000 Pfund kosten, scheint unverwüstlich. Irvings Prozess ist für die hiesige rechte Szene eine einzigartige Gelegenheit, nach Jahren noch einmal revisionistische Theorien groß auszubreiten. Er sagt, „treue Freunde“ stünden ihm finanziell zur Seite.

ANNETTE ROGALLA

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