Auf Du und Du mit der Stadtentwicklung
: Utopien für Bremen

■ Deputation beschließt Stadtwerder-Bebauung statt Grünfläche

Stadtentwicklung geht auch anders als derzeit in Bremen praktiziert. Das war die Erfahrung der 200 Besucher der Bremer Stadtentwicklungsgespräche über „das urbane Quartier“ am Mittwochabend. Beispiele aus Essen und Tübingen machten klar: In Quartieren wie Stadtwerder, Technologiepark und Problemvierteln wie Tenever ist noch vieles möglich.

Um lebenswerte Viertel ging es in der dreieinhalbstündigen Diskussion. Und was der Stadtplaner Andreas Feldtkeller aus Tübingen berichtete, passte zur aktuellen Diskussion um den Stadtwerder. Mischnutzung fordert Feldtkeller: Geschäfte, Arbeitsplätze, Kneipen, Kultur, Wohnen. Alles an einem Ort, wo „arbeiten nicht Randerscheinung bleibt.“ Das mache ein Quartier lebenswert.

Arbeit könne nicht nur auf der grünen Wiese stattfinden, meint Feldtkeller. „Leben und Arbeiten in einem Haus ist durch leise Maschinen heute möglich.“ Diese Mischnutzung bedeutet kulturellen Austausch und soziales Lernen, aber auch Konflikte. Während beim Stadtwerder, wo nur Wohnen und Dienstleistung vorgesehen sind, solche Störungen vermieden werden sollen.

Aber wie bekommt man Leben ins Quartier? Insbesondere wenn dort Arbeitslosigkeit und Ausländeranteil hoch sind? Als Beispiel bringt Klaus Wermker, ehemals Leiter des Amtes für Stadtentwicklung Essen, den Zollverein 12 in Essen. Dort stand mal die größte Zeche Europas. 5.000 Arbeitsplätze sind verloren gegangen.

„Langen Atem braucht man, um hier wieder eine Perspektive zu entwickeln,“ berichtet Wermker. Beim Zollverein hat das funktioniert. Dort steht jetzt ein großes Designzentrum, mit vielen kleinen Läden und Werkstätten in einer Mischnutzung. Das hat auch deshalb funktioniert, weil sich die Stadt beim Planen weitestgehend rausgehalten hat, berichtet Wermke. „Machen lassen“, sagt er. Denn wenn sich die Menschen um ihren Stadtteil kümmern und die Stadt nur das Budget zur Verfügung stellt, könne viel passieren. Wermke nennt das lokale Partnerschaften zwischen Anwohnern, Arbeitgeber und Kultur.

Die Beispiele aus Tübingen und Essen sollten vier Bremer, die sich mit Stadtentwicklung beschäftigen, kommentieren. Die hatten vor allem Fragen zu den Projekten. Heike Binne zum Beispiel vom Haus der Zukunft in Lüssum fand die Essener Idee „Arbeiten in Nachbarschaften“ sehr gut. „Die Stadt ist nicht fertig, wenn die Bauleute weg sind,“ erklärte Staatsrat Hans-Christoph Hoppensack. Dann müssten die sozialen Baumeister ran. Und wenn man Tübingen auf den Bremer Stadtwerder überträgt? Der Feldtkellersche Ansatz sei auch dort möglich, erklärte Hoppensack.

Im Gegensatz zu einer solchen Konzeption steht allerdings der gestern von der Baudeputation gefasste Planaufstellungsbeschluss. Mit der Mehrheit von CDU und SPD wurde darin nur eine „Mischnutzung aus Wohnungen und Büros“ festgeschrieben. Gegen lautstarken Protest des Osterholzer Beirats beschloss die Deputation auch den Bau der umstrittenen Funkschneisentrasse. pipe/not