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Ringelpietz mit Anfassen

■ Das Wehrschloss weiht heute mit einem mutmaßlich legendären Gemisch aus Party und Konzert seine frisch renovierten Räume ein

Es sollte eigentlich „nur“ eine Party werden. Die Konzertgruppe vom Wehrschloss hatte nämlich vor einer Weile beschlossen, dass die Räumlichkeiten vom ästhetischen Standpunkt betrachtet lediglich „suboptimal“ seien, dass dies nicht länger hinzunehmen und die Beendigung dieses Zustandes nach musikalischer Art des Hauses zu feiern sei. Zumal in dem nunmehr frischgetünchten Haus in den vergangenen fünfzehn Jahren Denkwürdiges geschehen ist. Etwa als beispielsweise David Yow von Jesus Lizard unter dem Einfluss alkoholhaltiger Getränke die Bühne eher unfreiwillig, gleichwohl aber recht routiniert verließ; oder als Cristina Martinez mit ihrem Freunde Jon Spencer die Bühne betrat und auch gestandene Punkrocker in Anbetung verfielen; und als Monster Magnet, gerade erst bei MTV eingelaufen, das Wehrschloss nahezu bersten ließen.

Mit Happy Hour und – nach dem Konzertteil – der Fortsetzung des Abends mit anderen Mitteln, namentlich den DJs Malte Motone, Alex Überschall, DJ Kalaschnikoff und Yenchung, stößt das AktivistInnen-Kollektiv mit sich und Euch auf eine würdige Zukunft an. Dass neben den erwähnten Tagesordnungspunkten, die für sich doch schon einen Bruch mit den Hausgepflogenheiten darstellen – bislang hatten die Leut' nach dem Konzert selbst zu schauen, wie sie den Rest des Abends herumkriegten –, der Samstag einigermaßen einzigartig auch in der Rückschau erscheinen könnte, sei hier immerhin verraten.

Es haben sich die Gerüchte derweil zur Gewissheit verdichtet, dass die vor drei Jahren aufgelösten „Party Diktator“ sich zum ersten Mal wieder gemeinsam auf eine Bühne stellen werden. Und wer sie seinerzeit gesehen hat weiß, dass sie dort keineswegs mit Beliebigkeit glänzten, sondern stets mit beherrschter Wut durch ihr kompliziertes Noise-Rock-Repertoire rasten. Und dass mit einem solchen Nachdruck, dass den Menschen draußen im Saal nicht selten der Mund sperrangelweit offen, ein Leuchten in den Augen und das Urteil unerschütterlich fest stand, so eben, eine der besten Live-Bands zumindest dieses Landes gesehen zu haben.

Das aber ist noch nicht alles. Der Einmaligkeit dieses speziellen samstäglichen Vergnügens verhilft noch zur Nichtwiederholbarkeit der Gitarrengast, der an diesem Abend Ole Wulfers ersetzen und sich wenig später in ein Flugzeug setzen wird, um für die nächsten drei Jahre die denkbar größtmögliche Entfernung zwischen sich und seinen derzeitigen Wirkungskreis Hannover zu legen.

Wir machen jetzt mal eine kleine Verschnaufpause, bevor wir die übrigen Programmpunkte ankündigen, die da lauten: Quintana Roo, Demenz durch Alltag und Moon, deren Musik weniger dem Zirpen einer Zikade oder dem Wispern eines Lufthauchs gleicht, als vielmehr ungleich stürmischeren, lauteren Erscheinungen. Und pünktlich solltet Ihr übrigens wohl auch sein, sonst sind vielleicht bei Ankunft schon alle Plätze beim Ringelpietz vergeben und es bleibt Euch nur der kalte, nasse Rückweg an der Weser in die Stadt, die nicht nur an diesem Samstag nicht zu bieten hat, was Euch im Wehrschloss am Hastedter Osterdeich erwartet. A.S.

ab 21 Uhr, Konzertbeginn 22 Uhr

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