: Zwischen Grün- und Speckgürtel
Jenseits der Berliner Stadtgrenze mehren sich Wohnsiedlungen und Gewerbegebiete. Die klassische Berliner Stadtkante sollte durch Regionalparks gesichert werden, doch der Speckgürtel wächst weiterhin. Das schadet auch dem Tourismus
von TOM NIEMANN
Klares Wasser, stattliche Bäume, saftige Auen und endlose Felder: Mit derartig idyllischen Bildern wirbt Berlin gerne für sein grünes Umland, dass direkt an der Stadtgrenze beginnt. Um zu verhindern, dass dieser Grüngürtel durch flächendeckende Gewerbegebiete, stadtnahe Wohnsilos und Reihenhaussiedlungen sowie riesige Shopping-Malls auf der Wiese zersetzt wird, wurde 1996 das Regionalpark-Konzept entwickelt. Damit soll der Erhalt der Berliner Naherholungsgebiete gesichert werden.
Der anstehende Ausbau des Großflughafens Schönefeld, fehlende Fördergelder sowie zunehmender Entwicklungsdruck machen es den Berlin-Brandenburg-Planern allerdings nicht gerade leicht, ihre Vision der ewig grünen Stadtgrenze zu verwirklichen. Dennoch: Durchhalten lohnt sich, schließlich ist ein solcher Übergang von dichter Großstadtbesiedlung zu offenen Feld-, Wald- und Seegebieten einzigartig in Europa.
Doch mit der Mauer fiel 1989 auch die so genannte Berliner Stadtkante. Endlich frei, zog es zahlreiche Alt-Berliner in das stadtnahe, aber scheinbar endlos grüne Umland. Auch jenseits der östlichen Stadtgrenze mehrten sich die Häuslebauer. Baugrundstücke wurden überall jenseits der gestürzten Mauer zu Schleuderpreisen verkauft. Wie am Öffnungstag im Winterschlussverkauf stürzten sich Baulöwen und Industrievertreter auf die freien Grünflächen. Wohnparks, Einkaufszentren und Gewerbegebiete machten sich dort breit, wo wenige Jahre zuvor noch Wildwuchs die Behausung seltener Tierarten bildete.
Der Maßlosigkeit dieses Treibens setzten die Stadt- und Regionalplaner des Großraums Berlin-Brandenburg vor vier Jahren den Entwurf für sieben Regionalparks entgegen.
Trotzdem kam es erst im vergangenen Jahr zu einem Rückgang in der Statistik zur Landflucht. „Bis dahin war die Errichtung stadtnaher Wohnparks voll im Trend, wogegen heute der Bedarf nach Wohnraum im Umland weitestgehend gedeckt ist“, so die Pressesprecherin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Berlin, Carmen Schulze. „Die Industrie ist derzeit ebenfalls nur wenig an dem Überschussangebot ausgeschriebener Gewerbeflächen interessiert. Letztlich ist aber alles nur eine Frage des Preises“, fügt Schulze hinzu.
Der brandenburgische Umweltminister Wolfgang Birthler (SPD) setzt sich besonders für die Umsetzung des Flächenschutzes ein. Nach Meinung des BUND jedoch weniger aus ökologischen Beweggründen als vielmehr zur Stärkung der Tourismusbranche im gesamten Großraum Berlin-Brandenburg.
Die Palette der sieben Regionalparks soll für jeden Erholungssuchenden das passende bereit halten: Die Naherholungsgebiete Müggel-Spree und Potsdamer Havelseen liegen in den wald- und seereichen Regionen, während in den westlichen Regionalparks Döberitzer Heide und Krämer Forst großflächige Wald- und Heideflächen anzutreffen sind. Inmitten von Feldern, Hecken und Alleen liegen die Entwicklungsräume der Regionalparks Barnimer Feldmark, Teltower Park und Flutgrabenaue.
Fehlende Fördermittel von Seiten Berlins und Brandenburgs bringen die Regionalpark-Gemeinden in große Verantwortung für ihren individuellen Erfolg. So ist das Engagement, mit dem die jeweiligen Gemeinderäte den Flächenschutz betreiben, nicht zuletzt von den Alternativen abhängig, die sich zum Füllen der Kommunalkassen ergeben.
Im Teltow-Park ist von einer Regionalpark-Entwicklung wenig zu sehen, da die Kommunen auf eine industrielle Erschließung bauen. Schließlich liefert die nahe gelegene Autobahn Richtung Frankfurt (Oder) die beste Voraussetzung dafür.
Für die eher abgelegenen Regionen Döberitzer Heide und Kramer Forst mit mäßiger Infrastruktur dürfte eine Anbindung an bereits erschlossene Gebiete sehr willkommen sein. Allerdings auf Kosten der bislang gut besuchten Spree- und Havellandschaften.
Eine Sonderrolle nimmt der vorgeschlagene Regionalpark Flutgrabenaue ein. Von Flächenschutz keine Spur. Investitionen in dieser Richtung erscheinen wohl auch eher absurd, wird in unmittelbarer Nachbarschaft doch schon bald mit dem Ausbau des Großflughafens Schönefeld begonnen. Joachim Wolf, Bürgermeister der Gemeinde, ist da anderer Ansicht: „Eine Qualifizierung der Landschaft in Form eines Regionalparks sollte auch in Flughafennähe vornehmliches Ziel sein.“
Die Vorstellung, während des Spaziergangs nicht dem Zwitschern von Singvögeln zu lauschen, sondern ohrenbetäubendes Dröhnen von Boeing und TriStar ertragen zu müssen, dürfte den erhofften Touristenansturm aber eher in Grenzen halten.
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