Widerspruch ist zu teuer

Unter dem Vorwand, Verwaltung effizienter zu gestalten, will der Senat Ausländern das Recht nehmen, gegen Entscheidungen der Ausländerbehörde Widerspruch einzulegen

von MARINA MAI

Gegen Entscheidungen der Ausländerbehörde soll es zukünftig kein Widerspruchsrecht mehr geben. Das sieht eine Senatsvorlage hervor, die das Abgeordnetenhaus bereits in erster Lesung behandelt hat. Mit dem „Fünften Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung“ will die Landesregierung grundsätzlich die Möglichkeit abschaffen, gegen Entscheidungen der Ausländerbehörde über Aufenthaltsverlängerungen Widerspruch einzulegen. Damit soll die Verwaltung effizienter gestaltet und Kosten gespart werden. In der Behörde könnten 2,5 Stellen wegfallen und pro Jahr 200.000 Mark an Personalkosten gespart werden.

Im vergangenen Jahr, so heißt es in der Beschlussvorlage, hätte die Ausländerbehörde nur 1,5 Prozent der mehr als 12.000 eingelegten Widersprüche stattgegeben. Daraus folge nach Meinung des Senates, dass viele von Abschiebung bedrohte Ausländer nur Widersprüche einlegen, um ihren Aufenthalt noch um die Zeit der Bearbeitung des Widerspruches hinauszuzögern.

Der Senat verweist darauf, dass Betroffene ja vor dem Verwaltungsgericht klagen können. Dies ist aber gegen einige Verwaltungsentscheidungen, wie etwa die Einreiseerlaubnis für ausländische Ehegatten, gar nicht möglich. Bei Klagen gegen Abschiebungen heißt das in der Regel, die Ausländer müssen ausreisen und in ihrem Herkunftsland auf den Gerichtsentscheid warten.

Ein analoges Verfahren hat der Bundesgesetzgeber 1993 im Rahmen des Asylkompromisses für Klagen gegen Asylbescheide bereits eingeführt. Das habe sich in den Augen der Landesregierung bewährt und soll jetzt auf alle Ausländer ausgedehnt werden. Der Senat schreibt den Rückgang der Zahl der Asylsuchenden allein der abgeschafften Widerspruchsinstanz zu und erhofft sich schneller vollziehbare Abschiebungen.

PDS und Grüne wollen die in den Innenausschuss verwiesene Beschlussvorlage ablehnen. „Wenn nur 1,5 Prozent aller Widersprüche stattgegeben wurde“, so Wolfgang Wieland (Grüne), „dann zeugt das lediglich von einer mangelnden Sorgfalt der Ausländerbehörde.“ Seine Fraktion werde die Vorlage ablehnen, weil sie die dahinterstehende Ausländer-raus-Mentalität nicht mittrage, aber auch weil die Praxis zu mehr Arbeit für die ohnehin überlasteten Verwaltungsgerichte führe.

Für die PDS-Abgeordnete Karin Hopfmann verstößt das Vorhaben des Senates gegen das Prinzip der Gleichbehandlung. „Niemand kommt schließlich auf die Idee, das Widerspruchsverfahren für alle Bürgerinnen und Bürger Berlins abzuschaffen, obwohl sich damit Millionenbeträge sparen ließen.“

Spannend wird sein, wie sich die SPD zu der Beschlussvorlage stellt. Sie hat in der Koalitionsvereinbarung diesen Schritt mitgetragen. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, lehnt sie jedoch ab. Für eine Stadt, die sich anschickt, eine europäische Metropole zu werden, wäre es ein fatales Signal, gerade für Ausländer das rechtliche Verfahren zu verkürzen, so Lorenz. Dies sei jedoch nur seine Privatmeinung, „die ich mir als frei gewählter Abgeordneter auch entgegen der Koalitionsvereinbarung gestatte“, betonte Lorenz. Wie sich seine Fraktion dazu stellen werde, sei ihm nicht bekannt.