piwik no script img

Jazz im Seidenhemd

■ Das Burton-McPherson-Quartet spielte im KITO begeisternd unauffällig

Warum sollte ich spielen wie sie? Ich versuche, wie ich selbst zu spielen. Sagt Abraham Burton. Sie – das sind Charlie Parker, Coleman Hawkins oder John Coltrane. Man glaubt es ihm glatt, wenn er sagt, er könne einfach mal so 50 Bird-Soli spielen. Aber darum geht's gar nicht. Sicher, man könnte schreiben, dass das Line-up dieser Band, die Burton gemeinsam mit dem Schlagzeuger Eric McPherson leitet, an das Coltrane Quartet der mittleren 60er Jahre erinnert. Oder dass Pianist James Hurt manchmal so klingt wie Alice Coltrane. Aber, wie gesagt, darum geht's eigentlich nicht. Die vier auf der Bühne des KITO sind keine Coverband. Und auch ideologische Debatten aus der Stanley Crouch/Wynton Marsalis-Richtung liegen ihnen fern. Es geht ihnen nicht darum, einen Style zu spielen. Schluss, Ende, aus! Ein paar Dutzend Leute fanden den Weg ins KITO. Und sicher nicht, weil sie musikwissenschaftliche Studien treiben wollten.

Auf den selbstverständlich vorhandenen Traditionsbezug hinzuweisen ist – nun ja: banal. Und wenn das schon sein muss, dann eher so: Hurt bastelt am Piano diverse Bezüge zusammen. Da kann ein Intro schon mal eher nach Beethoven klingen als nach Ellington. Oder es schleicht sich ein impressionistischer Lyrismus ein, um sogleich in eine Folge hämmernder Akkorde respektive minimalistischer Tonfolgen hinüberzugleiten. Bemerkenswert ist die Selbstverständlichkeit dieses Nebeneinanders. Nie hat man das Gefühl, die Brechungen würden ausgestellt – hört mal, wer da klaviert! Das einzig wirklich Auffallende bei diesem zurückhaltenden Pianisten ist das anthrazitfarbene Seidenhemd. Das ist zwar wirklich scheußlich, aber eigentlich auch egal.

Burton seinerseits entlockt seinem Tenor schlicht schöne Melodielinien, etwas spröde meist, keine Abflieger. In einigen Kompositionen mit Latin-Touch auch äußerst rhythmisch zu Werke gehend. McPherson spielt McPherson: Vertrackte Beats, die den jeweiligen Rhythmus umspielen. Gemeinsam mit Bassist Inoue ein Musterbeispiel an Understatement. Das ist es wohl, was die Qualität des Quartetts ausmacht. Auf Effekthascherei zu verzichten und trotzdem nicht so clean zu klingen wie viele andere Projekte. Wir sind doch alle zum Vergnügen hier („Ihr müsst morgen arbeiten gehen, wir nicht!“) scheint Burton sagen zu wollen, als er vorschlägt, in der Pause das Geld für alle Seiten gewinnbringend in Bier und Wein anzulegen. So stellt sich fast etwas wie Club-Atmosphäre ein. Zum Schluss gibt's dann doch einen von denen, eine Ballade von Coleman Hawkins. Die wird gemeinschaftlich ins Latinmäßige übersetzt. Schön. Tim Schomacker

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen