: Schuldenberater sind pleite
■ Die Schuldenberatung in Walle muss schließen / Geld aus der Behörde für zeitintensive Schuldenberatung nicht kostendeckend
Die Eröffnungsfeier vor zwei Jahren ist bei Jürgen Wäcken noch in guter Erinnerung – jetzt muss der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes seine Schuldnerberatung in Walle dichtmachen. „Wir haben das nicht mehr finanziert bekommen,“ erklärt Wäcken. Den anderen Schuldenberatungsstellen in Bremen geht es nicht besser: „Auch wir haben das letzte Jahr mit Verlusten abgeschlossen,“ sagt Christine Elias von der Caritas.
An der Nachfrage bei den Schuldenberatungstellen lag das nicht: Rund 200 Schuldner hat Regina Fitz in Walle vergangenes Jahr beraten. Wartezeiten von sechs bis acht Wochen für ein Beratungsgespräch waren die Regel. „Wir haben eine immens hohe Nachfrage, ich kann gar nicht so schnell arbeiten,“ erklärt Elias.
Die Finanzschwierigkeiten der Schuldenberatungen sind vielmehr ein „strukturelles Problem“, erklärt Elias. Denn mit den Kostenpauschalen der Behörde pro Fall kommen die acht Bremer Beratungsstellen nur mühsam aus. „Wir brauchen rund 18 Monate pro Fall, bezahlt werden aber nur zwölf Monate,“ klagt Fitz. Zeit vergeht vor allem durch die Verhandlungen mit den Gläubigern. Bis zu 40 Ansprüche muss Fitz dann abarbeiten.
Rund 600 verschuldete Sozialhilfeempfänger verteilen sich derzeit auf acht Beratungsstellen. Ohne die Beratungsstelle in Walle wird der Andrang noch größer, fürchtet Elias. An personelle Aufstockungen sei aber nicht zu denken: „Das ist eine finanzielle Frage, zwei Beratungskräfte würden doppelten Verlust machen.“ Als „dringendes Warnsignal“ sieht der Förderverein Schuldenberatung die Schließung in Walle. Wenn die Sozialbehörde nicht eine tragfähige Refinanzierung der Schuldenberatungsstellen entwickelt, „ist es nur eine Frage der Zeit, wann die nächste Schuldenberatungsstelle das Handtuch wirft.“
In der Tat arbeitet das Sozialressort derzeit daran, das Vergütungssystem zu überarbeiten. Schwierige Fälle sollen je nach Gläubigerzahl, Schulden und dementsprechendem Beratungsaufwand höher vergütet werden, erklärt Dieter Wienstroer.
Am Mittwoch will man über das Angebot mit den Verbänden sprechen. Dem Paritätischen Wohlfahrtsverband reicht das verbesserte Angebot indes nicht: „Da liegen immer noch Welten dazwischen“, meint Wolfgang Luz: „Ich glaube nicht, dass wir das verhandelt bekommen.“ „Welchen Aufwand muss man tätigen, um eine befriedigende Schuldenberatung zu leis-ten,“ fragt man sich dagegen in der Sozialbehörde. Und wie lange solche Fälle bearbeitet werden, habe ökonomische Grenzen, erklärt Wienstroer. „Das ist kein bremisches Problem, sondern ein bundesweites.“ Auch in Niedersachsen sollen die Beratungsstellen vor der absoluten Pleite stehen. pipe
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