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Rechte gegen Ausländerrechte

In Spanien ermöglicht das vor den Parlamentswahlen verabschiedete liberale Ausländerrecht jetzt die Massenlegalisierung illegaler Einwanderer. Aber die wieder gewählte Rechtsregierung will das schon wieder ändern

aus Madrid REINER WANDLER

Jedes noch so kleine Detail kann wichtig sein, um zu belegen, dass einer schon vor dem 1. Juni 1999 in Spanien war. Und damit hat er Anspruch auf eine Aufenthaltsgenehmigung. Eine Telefonrechnung, ein Überweisungsbeleg, ein Kontoauszug, alles verwandelt sich so zur Eintrittskarte nach Spanien für die 100.000 illegalen Immigranten.

Seit gestern stehen viele von ihnen vor Spaniens 165 Ausländerämtern Schlange. Bis zum 3. Juli können sie ihre Papiere in Ordnung bringen. In ländlichen Zonen sucht die Verwaltung die Immigranten vor Ort auf. Das Innenministerium hat außerdem zwei kostenlose Infotelefone eingerichtet. Die kommunistische Gewerkschaft CCOO berät die Einwanderer an 129 Orten.

Der erneute Regularisierungsprozess, der dritte seit 1990, ist das Ergebnis eines neuen Ausländergesetzes, das zum Ende der alten Legislaturperiode vom spanischen Parlament verabschiedet wurde. Neben der Regularisierung gesteht das Werk den nicht aus der EU kommenden Immigranten die vollen Bürgerrechte zu – mit Ausnahme des Wahlrechtes. Außerdem verbietet es die polizeiliche Abschiebung an der Grenze. Wer dort aufgegriffen wird, hat das Recht auf einen Pflichtverteidiger und auf ein Gerichtsverfahren. Bis zum Urteil darf er im Land bleiben. Die Abschiebehaft gehört der Vergangenheit an. „SOS Racismo“ beantragte gestern beim Innenministerium, diese Regelung auch auf diejenigen Illegalen auszuweiten, die nach dem alten, 1985 von den Sozialisten eingeführten, wesentlich schärferen Gesetz in Abschiebehaft sitzen.

Das neue Ausländergesetz war das Ergebnis eines monatelangen zähen Ringens in einem eigens eingerichteten Parlamentsausschuss. Trotz letztendlich erreichter Einstimmigkeit in der Arbeitsgruppe stimmte die regierende Volkspartei (PP) von José María Aznar im Parlament dagegen. Noch im Wahlkampf kündigte dann nicht nur die PP, sondern auch die Oppositionspartei PSOE an, im Falle eines Wahlsieges das Gesetz zu reformieren.

Aznar, der aus den Wahlen am 12. März mit einer absoluten Mehrheit gestärkt hervorging, wird daher in den nächsten Monaten besonders den Paragraf 47 aus dem Werk verbannen. „Derjenige Ausländer, der nachweisen kann, dass er mindestens zwei Jahre in Spanien verbracht hat, kann eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten“, heißt es dort. Dies führe zu einem „Rufeffekt“, beschwerte sich Innenminister Jaime Mayor Oreja immer wieder. Er befürchtet, dass die in Marokko tätigen Schleppermafias diese Regelung als Einladung begreifen könnten. Die Rechte derer, die legal im Lande leben, sollen hingegen nicht angerührt werden.

Trotz seiner absoluten Mehrheit möchte Regierungspräsident Aznar die Reform der Reform ungerne alleine zu verantworten haben. Er möchte in den nächsten Wochen mit seinen alten Partnern im nationalistischen Lager zu einer Einigung kommen. Die Immigrantenorganisationen und die Gewerkschaften haben bereits jetzt Widerstand angekündigt.

Der Streit um die Immigranten ist nur schwer zu verstehen, wenn die Statistiken hinzugezogen werden. Spanien hat die niedrigste Immigrantenquote Europas. Die ausländische Bevölkerung macht nur 1,3 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Über die Hälfte davon kommt aus der EU oder aus Ländern der Ersten Welt. Nur 300.000 legale Immigranten kommen aus den ärmeren Ländern. Selbst zusammen mit den 100.000 jetzt zur Regularisierung Anstehenden kommen diese nicht einmal auf 1 Prozent.

Der UNO zufolge wird sich dies in den nächsten Jahren allerdings ändern müssen. Denn Spanien hält noch einen weiteren Rekord: den der weltweit niedrigsten Geburtenrate.

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