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Internet-Aktien am Wendepunkt

Suchmaschinen-Anbieter Lycos Europe geht an die Börse. Die Überraschung: Der Kurs stagniert trotz prominenter Großaktionäre wie Bertelsmann. Der Börsengang von T-Online wird der Test für die Online-Branche

von REINER METZGER

Erste Entwarnung für alle diejenigen, die nicht in Internet-Aktien spekulieren: Es gibt zarte Signale einer Ernüchterung bei den Anlegern. Neuestes Zeichen war gestern der Börsengang von Lycos Europe am Neuen Markt in Frankfurt. Obwohl eigentlich nichts schief gehen konnte, blieb der Aktienkurs unter der Ausgabemarke – eine Entäuschung für die Anleger, die auf einen Gewinnsprung schon am ersten Tag spekulierten.

Lycos Europe ist nicht irgendwer. 43 Prozent der Aktien gehören der US-Firma Lycos, einer der beliebtesten Suchmaschinen und Internet-Portale. Von diesen Web-Stellen aus sollen künftig die Surfer online in See stechen. Lycos Europe betreibt so bekannte Dienste wie die Suchmaschine Fireball. Knapp 27 Prozent liegen beim Medienkonzern Bertelsmann und seiner Tochter Gruner + Jahr, gut 16 Prozent beim Lycos-Europe-Vorstandschef und Spross der Bertelsmann-Gründerfamilie, Christoph Mohn.

Die mächtigen Großaktionäre wollen Lycos Europe zu einem Marktführer ausbauen. Das Geld dafür soll aus dem gestrigen Börsengang kommen, für 12,3 Prozent der Aktien wurden bei einem Ausgabepreis von 24 Euro 672 Millionen Euro kassiert. Die Aktie war – wie es sich derzeit für eine anständige Neuemmission gehört – 30fach überzeichnet, vier von fünf Kaufinteressenten gingen leer aus. Auch der Rest war eigentlich ganz nach dem Geschmack heutiger Investoren im boomenden Internetsektor: Die Werbeausgaben liegen pro Jahr bei 150 Millionen Euro, der Umsatz der letzten sechs Monate lag bei 13,6 Millionen Euro und soll sich jährlich mindestens verdoppeln, der Verlust steigt. Irgendwann 2003/2004 sollen dann aber schwarze Zahlen geschrieben werden.

Und trotzdem lag der Kurs gestern um 1 Euro unter dem Ausgabekurs – kein Vergleich mit Infineon-Aktien, die Montag vor einer Woche rasch auf mehr als das Doppelte hochschnellten.

Die mangelnde Begeisterung für die E-Aktien ist derzeit ein internationaler Trend. So floppten diesen Monat zwei hochgejubelte Titel an der Londoner Börse, Lastminute.com und World Online. Und an der New Yorker Börse Nasdaq genügte ein Bericht des Wirtschaftsdienstes „Barron’s“, um zahlreiche Internet-Aktien nach unten zu senden. Barron’s hatte aufgezählt, mit welcher hohen Geschwindigkeit 207 diese „.com“-Firmen im Kampf um Marktanteile ihr Geld aus den Börsengängen ausgeben.

Der Wert von Lycos ist mit 5,4 Milliarden Euro im Verhältnis zum Umsatz trotz der Kursstagnation immer noch aberwitzig hoch, und sowohl Bertelsmann wie auch Lycos und Vorstandschef Mohn haben ein sehr gutes Geschäft gemacht. Doch sind die Anleger kritischer geworden, was die Bewertung der Aktien angeht – und die Lycos-Aktie wurde ganz am oberen Ende der Spanne von 19 bis 24 Euro ausgegeben.

Zum Test für die Branche in ganz Europa wird der größte Börsengang des Jahres werden, derjenige von T-Online. Die Aktien der Telekom-Tochter kommen am 17. April. Es handelt sich um den größten Online-Dienst im größten Land der EU mit einem mächtigen Telekom-Konzern im Rücken. Wenn das kein Erfolg wird, haben die Investoren endgültig ihre Begeisterung verloren.

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