: Langer Weg zum Mahnmal
Gestern Abend suchte das Stiftungskuratorium des Denkmals für die ermordeten Juden Europas einen Geschäftsführer. Viele Fragen sind weiter offen
Nach dem Bundestagsbeschluss vom vergangenen Sommer zum Bau des Holocaust-Mahnmals südlich des Brandenburger Tores wird das Großprojekt nun langsam konkret. Zwar sind die Kosten, die genaue Form und der Termin der Fertigstellung noch unklar. Aber immerhin wollte sich gestern Abend das Kuratorium der Mahnmalsstiftung auf einen Geschäftsführer einigen.
Der Besetzung des Geschäftsführerpostens kommt besondere Bedeutung zu, da beim geplanten Stelenfeld von Peter Eisenman noch viele Fragen offen sind. So ist etwa nach wie vor nicht geklärt, wo der so genannte Ort der Information gebaut werden soll (auf dem Mahnmalsgelände oder daneben?) und was darin zu sehen ist (wird es ein halbes Holocaust-Museum oder doch nur ein kleiner Info-Pavillon?). Kultur-Staatsminister Michael Naumann wird dabei immer wieder von Kuratoriumsmitgliedern nachgesagt, dass er den Ort der Information größer haben will als die meisten seiner Beiratskollegen. Gegen solche Überlegungen hat nicht nur der FDP-Bundestagsabgeordnete Hans-Joachim Otto (FDP) Widerstand angekündigt.
Um die brisante Frage nicht in großer Runde zu zerreden, bestimmte das Kuratorium aus seinen Reihen eine dreiköpfige Findungskommission, die Personalvorschläge für den Geschäftsführerposten machen sollte. Alle drei vorgeschlagenen Personen, so Andreas Nachama, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und Mitglied der Kommission, seien gleich gut qualifiziert. Namen wollte er indes nicht nennen.
Noch größere Brisanz aber könnte die geplante Entscheidung über die Besetzung einer anderen Arbeitsgruppe enthalten. Sie soll Vorschläge für den Ort der Information machen und den Kontakt zum Architekten halten. Ein Kuratoriumsmitglied, der Bundestagsabgeordnete Heinrich Fink (PDS) spricht von einer „ganz wichtigen Gruppe“. Vorgeschlagen war für sie der Historiker Eberhard Jäckel. Außerdem war der Architekt Salomon Korn im Gespräch. Doch der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main will sich nach Informationen aus dem Kuratorium vor allem auf Architekturfragen beschränken – die Arbeitsgruppe würde jedoch in erster Linie konzeptionelle Fragen zu lösen haben. Auch Reinhard Rürup, der ebenfalls in die Gruppe sollte, wolle nicht, heißt es aus dem Kuratorium. Der Leiter der Gedenkstätte „Topographie des Terrors“, in der Nähe des geplanten Mahnmals gelegen, fürchtet nach Einschätzung seiner Ratskollegen, dass seine Institution durch einen zu großen Ort der Information an den Rand gedrängt werden könnte. Wer die beiden ersetzen könnte, war im Vorfeld noch völlig unklar. Sicher ist nur schon jetzt: Der Streit um das Mahnmal wird noch lange dauern.
PHILIPP GESSLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen