piwik no script img

Heiterkeit durch Dick und Dünn

■ Wir testen alle Sender in der Region. In der 13. Folge unserer Serie: RB4, die erste Rock- und Popwelle in Deutschland (West)

Nie war so viel Radio wie heute. Die Ultrakurzwelle (Ukw) platzt aus allen Nähten. Doch führt Vielheit auch zu Vielfalt? Eher nicht. Das lehrt die Geschichte der ersten Rock- und Popwelle der BRD namens Radio Bremen 4.

Eine Bekannte erzählte mir, sie würde sich seit einiger Zeit immer von Radio Bremen 2 wecken lassen. Vorher habe sie ihren Radiowecker auf Radio Bremen 4 programmiert. Doch auf Dauer sei das wegen des, wie sie es nannte, „Brechstangen-Humors“ eines Duos namens „Der Dicke und der Dünne“ unausstehlich gewesen. Jetzt allerdings, ohne die beiden und dafür mit dem „Journal am Morgen“ der Kulturwelle, verschlafe sie bisweilen.

Wenn du nicht in einer Großstadt wie Berlin oder Hamburg wohnst, ist das eine schlimme Sache mit dem Radio. Es sei denn, du stehst sowieso auf Phil Collins. Etwas abseitigere Neigungen sind nicht selten problematisch. Und sie werden auch von RB4 kaum noch bedient.

Dabei war der Sender in seinen Anfängen eine erfreuliche Ausnahme. Da gab es Sparten- oder Nischenprogramm. Drei Stunden Heavy Metal in der Woche zum Beispiel, während der ersten Wochen übrigens noch moderiert von Axel P. Sommerfeld. Der stand damals immerhin auf Slayer. Und neben Shows wie „Tinas Turbulenzen“ oder Burkhard Rauschs „Rausch-Hour“ gab es auch einmal in der Woche eine Stunde John Peel, der von irgendwelchen leiernden Tapes mit populärer türkischer Musik, die er Busfahrern im Urlaub abgenommen hatte, bis zu härtes-tem Grindcore alles spielte, was er für interessant hielt.

Radio Bremen 4 hatte sich Vielseitigkeit auf die Fahne geschrieben. „Von Abba bis zu Zappa, nur von Heino spielen wir keins“, lautete ein Vers im „Radio-Bremen-4-Rap“, der auf 101,2 Mhz mehrere Wochen lang ununterbrochen zu hören war, bevor das Radio für junge Leute als erste Rock- und Pop-Welle der BRD am 1. Dezember 1986 auf Sendung ging. Der programmatische erste Song war „Popmusic“ von M.

Nicht nur der „RB4-Rap“ ist nicht mehr. Ich konnte ihn seinerzeit auswendig. In meinem Bekanntenkreis war dieses Stück Gegenstand kultischer Verehrung, wie es so unbeholfen vor sich hin holperte und stolperte, „gerappt“ von den damals noch zukünftigen RB4-ModeratorInnen. Abba spielen sie auf RB4 natürlich auch heute noch. Zappa auch manchmal, zumindest „Bobby Brown“, der mit Sicherheit im Programmrechner im Ordner „Evergreens“ auftaucht. John Peel und die wöchentliche Heavy-Metal-Sendung gehören der Vergangenheit an. Nur „Pauli Pops tönende Wunderwelt“ gibt es noch; die ist mittlerweile allerdings auf die Hansawelle übergesiedelt. Anscheinend gab es nicht genügend Leute in Radioland, die diese kleinen Abwechslungen vermissten.

Das etwas andere Radio findet mittlerweile eher im Internet statt. RB4 ist jetzt für andere Dinge bekannt. Im Rahmen des Comedy-Booms, der zumindest zum Teil von ffn zu verantworten ist, ersannen Peter Mack und Jens-Uwe Krause die Figuren Gisbert Geyer und Hermine Plaschke, mit denen sie schließlich sogar erfolgreich in Bierzelten auftraten. „Du brauchst nur einmal ,ficken' zu sagen, und schon hast du einen Lacher“, charakterisierte Jens-Uwe Krause einmal diese Auftritte. „Die Deutschmacher“ Arnie und Bert sind noch so eine RB4-Erfolgsgeschichte. Nimm deinen Lieblingssong in fremder Zunge und übersetze ihn nicht wörtlich sondern Wort für Wort.

Und seit November sind am frühen Morgen, also zur wichtigsten Radiozeit des Tages, die bereits erwähnten Jens-Uwe Krause und Axel P. Sommerfeld als das bereits erwähnte Duo „Der Dicke und der Dünne“ zu hören. Manche Leute halten das für gemein. Andere Leute ganz offensichtlich nicht. Sonst wäre RB4 in der Region Bremen sicher nicht Marktführer in Sachen Radio für Leute zwischen 14 und 29. So ist das nun mal, da beißt die Maus keinen Faden ab, und da hilft alles nix. (Muss ja.)

Andreas Schnell

RB4 tönt auf 101,2 Mhz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen