Option oder bloße Mogelpackung?

■ Die swb wollen auf dem Stadtwerder lukrative Häuser bauen / Experten mahnen indes vor Folgen für Trinkwassergewinnung

Seit Jahren gärt der Konflikt um die Zukunft des Stadtwerders. Vor zwei Wochen ist eine Vorentscheidung für die Bebauung gefallen: Der von der Baudeputation gefass- te Planaufstellungsbeschluss legt als Ziel die Errichtung von Wohn- und Geschäftshäusern fest. Umweltschützer laufen dagegen jetzt erneut Sturm. Sie kritisieren zum einen, dass Bremen damit wichtige Optionen für eine eigene Trinkwassergewinnung aufgebe. Zudem glauben sie, dass ein Gutachten der Stadtwerke nicht ganz korrekt ist.

Bausenatorin Christine Wischer (SPD) hatte gemeinsam mit den Stadtwerken bereits im November die Baupläne bekannt gegeben – vor Abschluss eines Pilotprojekts, mit dem die swb die Trinkwassergewinnung auf dem Gelände zwischen der großen und der kleinen Weser erprobte. Die damals vorliegenden Teilergebnisse hätten sich nach Abschluss der einjährigen Testphase inzwischen bestätigt, so swb-Sprecherin Marlene Odenbach heute: Das Wasser aus der kleinen Weser, das man auf dem Stadtwerder versickern ließ, um es nach dieser Bodenpassage sozusagen naturgefiltert wieder zu fördern, weise einen deutlich höheren Salzgehalt auf als das bisher verwendete Grundwasser. Erst durch einen Verschnitt im Verhältnis 1:1 mit Grundwasser würden die zulässigen Grenzwerte unterschritten. Diese Vermischung allerdings würde zu einer deutlichen Verschlechterung der gesamten Bremer Wasserqualität führen. Insbesondere würde der Härtegrad steigen: Das bedeutet kürzere Lebensdauer für Waschmaschinen, aber auch für die Anlagen der swb.

Umweltschützer bezweifeln diese Angaben nicht nur wegen ihrer vorzeitigen Bekanntgabe: Sie halten eine Manipulation zu Gunsten des lukrativen Immobiliengeschäfts für möglich, solange die swb die Ergebnisse des Versuchs nicht vollständig veröffentlicht. „Dazu sind wir als privatwirtschaftliches Unternehmen nicht verpflichtet“, ließ swb-Vorstandschef Gerhard Jochum in einer Einwohnerversammlung in der Neustadt kürzlich lapidar wissen. Außerdem, so der Wasserwerker, sei die Bremer Wasserversorgung durch das eigene Wasserwerk in Blumenthal und langfristige Verträge mit niedersächsischen Lieferanten mehr als gesichert. Für eine Gewinnung auf dem Stadtwerder bestehe mittelfristig kein Bedarf.

Das sieht Sönke Hoffmann vom Naturschutzbund (NABU) anders: Er erinnert daran, dass das Halsetal bei Verden derzeit als Folge der Trinkwasserförderung trockenfällt und mehrere Naturschutzgebiete gefährdet sind. Von dort bezieht Bremen jährlich sieben Millionen Kubikmeter Wasser – fast ein Viertel des gesamten Verbrauchs. „Kein Problem“, heißt es bei der swb: Andere Lieferanten könnten diese Menge kompensieren, wenn das niedersächsische Umweltministerium die Entnahmegenehmigung zurückziehen sollte.

Langfristig könnte sich die Qualität des Grundwassers allerdings durch Nitrateinträge aus der Landwirtschaft verschlechtern, warnten Experten auf einem Hearing der SPD. Dann könnten sich die Qualitäten von Grund- und Weserwasser einander annähern, eine Förderung aus der Weser würde interessanter. Für diesen Fall hat die swb auf ihrem Stadtwerder-Areal eine „strategische Reserve“ von 7000 Quad- ratmetern vorgesehen – laut Expertenmeinung (siehe Interview rechts) zwar groß genug für die Aufbereitung, aber nicht für die Gewinnung von so genanntem Uferfiltrat: Dafür müssten in Ufernähe Brunnen gebaut werden, in deren Umgebung Wasserschutzgebiete im Radius von 50 bis 100 Metern auszuweisen wären. Das würde eine Bebauung stark einschränken. Laut swb könnten die Brunnen in den ohnehin geplanten Grünflächen liegen. Aber bei einer Breite des gesamten Areals von nur 300 bis 600 Metern wird es eng werden. Die Rendite des Bauprojekts, durch die notwendige Entsorgung des alten Rohrnetzes ohnehin geschmälert, gerät in Gefahr. Beim BUND fürchtet man darum, dass die swb die Trinkwasseroption auf dem Stadtwerder längst aufgegeben hat: „Die 7.000 Quadratmeter sind als Mogelpackung anzusehen, die den Widerstand gegen die Bebauung beschwichtigen soll“, sagt die Vorsitzende Beatrix Wuppermann. not