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Vertreibt die Zöllner!

Am kommenden Mittwoch tagt erstmalig die regionale Finanzierungskonferenz des Balkan-Stabilitätspaktes. Doch ohne einheitliche Zölle bleibt jeder investierte Euro ein verlorener Eurovon FRANK HOFMANN

Wenn Sie heute mit dem Auto von Wien über die Westbalkan-Route nach Thessaloniki fahren, müssen Sie sieben Grenzen passieren. Sieben Zollstationen mit Ein- und Ausreise. Mindestens 14-mal werden Sie nach ihrem Pass kramen, 14-mal davor Muffe haben, dass Ihre schöne Urlaubsreise von ungnädigen Grenzern unterbrochen wird. Sie können freundlich sein und die 14 Kontrolleure mit „Dobar dan“ begrüßen. Die (vorzugsweise) Herren werden Sie verstehen. Nützen wird es Ihnen wenig.

Beim Eintreiben von Bakschisch sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Einer der Zöllner wird erklären, Sie seien an einer Geschwindigkeitskontrolle irgendwo hinter der letzten Kurve zu schnell gefahren, und Geld verlangen. Ein anderer wird behaupten, Ihr Reiseproviant übersteige das erlaubte Maß, und Wegezoll fordern. Aus der Sicht der Zöllner, die ihre Familien ernähren müssen, mag das verständlich sein. Doch sieben Grenzen und 14 Zollschranken lassen jeden Handel scheitern. Ein volkswirtschaftlicher Wahnsinn – denn Südosteuropa kann wirtschaftlich nur gesunden, wenn einheitliche Zollstandards festgelegt werden, die später in eine Zollunion münden.

Seit Monaten klagen Regionalspezialisten wie der US-amerikanische Devisenspekulant und Osteuropa-Mäzen George Soros eine derartige Union ein. Denn sie wissen: Ohne einheitliche Zölle ist jeder in der Region investierte Euro ein verlorener Euro. Zuständig für die Schaffung der Balkan-Zollunion, der – neben Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Rumänien, Bulgarien, Makedonien und Albanien – auch Montenegro und Kosovo sowie später ein demokratisiertes Restjugoslawien angehören sollten, wäre Bodo Hombach. Der umstrittene Schröder-Mann ist EU-Sonderbeauftragter für den Stabilitätspakt für Südosteuropa und hat im Oktober sein Büro in Brüssel bezogen. Doch konkrete Vorschläge, wie die Region von mafiösen und legalen Zoll-Hemmnissen befreit werden könnte, hat Hombachs Truppe bis heute nicht vorgelegt.

Vielmehr scheint es, als bastle der „Special Coordinator of the Stability Pact for Southeastern Europe“ vor allem an seiner Infrastruktur: dem Apparat des Stabilitätspaktes. In Europa entsteht eine neue Bürokratie. Mal wieder. Drei Bereichen hat sich der Pakt verschrieben: Menschenrechte und Demokratie, Wirtschaft, Wiederaufbau und Entwicklung sowie der Sicherheit. Jede dieser Gruppen wird als so genannter Tisch organisiert – mit Büros, Mitarbeitern, Etats. So ist am 19. Januar in Berlin eine „Kammer“ entstanden, die dem „Wirtschaftstisch“ untersteht. Dort sind die Bundesregierung, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Industrie- und Handelstag (DIHT) und die „Südosteuropäische Kooperationsinitiative“ (Southeast Europe Cooperation Initiative, Seci) vertreten. Themen sollen unter anderem „regionales Investitionsklima“, „Handelsbedingungen“, die „regionale Kooperation“ und „Finanzierungsmechanismen“ sein.

Ursprünglich wurde die Seci von der UNO und den Balkan-Ländern zur Kooperation in Südosteuropa gegründet. Irgendwie kennt man das. Es ist ein munteres Gründen, Entstehen und Diskutieren. Man wird den Eindruck nicht los, dass es vor allem um die Abrechnung von Spesen und die Beschäftigung neuer Diplomatengenerationen geht. Praktische Konsequenzen für die Menschen in Südosteuropa hat der Stabilitätspakt bisher nicht.

Schlimmer noch: Die EU ist dabei, sich mächtig zu verheddern. Längst gehen die Fäden wieder auseinander, die mit der Gründung des Paktes im Juli 1999 in Sarajevo zusammengebracht wurden. Während Bodo Hombach an seinem Apparat schraubt, beschließt die EU-Kommission, in Priština ihre Wiederaufbau-Agentur für Kosovo ins Leben zu rufen. Diese Agentur wird – wie ihre Vorgängerin in Bosnien-Herzegowina – Wiederaufbaugelder unter die Kosovaren bringen und dabei recht unabhängig vor sich hin wurschteln. Auf den späteren Bericht des EU-Rechnungshofes dürfen wir gespannt sein.

Schließlich erklärt der deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen Kroatien zum möglichen EU-Beitrittskandidaten – auf einer Ebene mit Polen, Tschechien und Ungarn. Was er damit bezweckte, kann rational nicht erklärt werden. Ein Blick in den Amsterdamer EU-Vertrag zeigt, dass dieses Ziel völlig unrealistisch ist: Kroatien ist mit seinen Auslandsschulden von sieben Milliarden US-Dollar pleite. Das Land ist weit davon entfernt, die Kriterien, die der Beitrittsprimus Polen im Jahre 2003 mit Ach und Krach schaffen könnte, auch nur annähernd zu erreichen. Das wäre selbst dann nicht anders, wenn die Adriaküste in den kommenden fünf Jahren von Touristen überschwemmt würde.

Verheugens Sandmännchen-Taktik ist fatal. Der Sand in den Augen wird den Kroaten nicht helfen, eine realistische Zukunftsperspektive zu entwickeln: als Primus inter Pares in Südosteuropa. Die traditionellen Märkte für Kroatien und Bosnien liegen im Süden und Osten des Balkans. Dorthin führen schon seit der Antike die traditionellen Handelswege. Straßen, die jetzt durch unsinnige Zollschranken gekappt sind und in den serbisch und kroatisch dominierten Gebieten Bosniens von wegelagernden Provinzfürsten kontrolliert werden.

Slobodan Milošević und seine intellektuellen Vordenker von der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste (Sanu) haben mit ihren gescheiterten Eroberungsfeldzügen am Ende eines doch erreicht: Das wirtschaftliche Niveau ist in ganz Südosteuropa ähnlich. Der Krieg hat die Balkan-Staaten endgültig zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit verdammt. Die Aufgabe der EU sollte sein, dies deutlich zu machen. Denn: In der wirtschaftlichen Kooperation liegt die einzige Chance, die Region nachhaltig zu befrieden und ihr eine Perspektive zu bieten, mit der sie die Dritte Welt hinter sich lassen kann. In einem Klima der Zusammenarbeit, in einem wirtschaftlich geeinten Südosteuropa hätte auch der Westentaschen-Stalin in Belgrad keine Zukunft mehr. Sein Reich wird in einem innerserbischen Bürgerkrieg zusammenstürzen – oder sich auflösen, wenn die Menschen die großserbische Ideologie zu Gunsten der Fleischtöpfe Europas eintauschen. Schon heute sind viele bosnische Serben, die jetzt als Flüchtlinge in Belgrad leben, gewillt, nach Sarajevo zurückzukehren. Sie ziehen einen – wenn auch bescheidenen – Lebensstandard in Bosnien dem Darben im Milošević-Reich vor.

Ein bosnisches Sprichwort lautet: „Der Himmel ist zu hoch, und die Erde ist zu hart“. Der westeuropäische Wohlstandshimmel mag für Kroatien, für Bosnien-Herzegowina und die übrigen Balkan-Staaten noch hoch und fern sein. Doch eine weiche Landung auf südosteuropäischem Boden ist möglich – in einer lockeren Zollunion, mit einem Lebensstandard auf griechischem Niveau. Auf dem Weg dorthin müssen freilich mindestens fünf Zollschranken fallen.

Hinweis:Grenzen und Zölle lassen jeden Balkan-Handel scheitern„Special Coordinator“ Bodo Hombach bastelt vor allem an seinem ApparatBisher hatte der Stabilitätspakt keine Konsequenzen

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