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90 Mark für Napalm Death-CD ...

■ Welchen Sinn haben Mahngebühren? Gibt es ein Lesen danach?

Das Bremer „Holocaust-Mahnmal“ steht bekanntlich am Bahnhof und dient nebenbei als Großparkplatz für Fahrräder. Mahnmale sollen uns gemahnen, unsere Lehre aus der Vergangenheit zu ziehen, und nicht zu vergessen, dass wir so etwas nie, nie wieder tun wollen. Wäre es in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll, ein Mahn-Gebühren-Mal aufzustellen? Könnte das nicht tausende von BibliotheksnutzerInnen vor dem finanziellen Ruin bewahren? „Das Höchste was hier mal über den Tresen gegangen ist, waren 230 Mark“, erfahre ich in der Musikbibliothek. „Es gibt Leute, bei denen weiß man schon vorher, dass sie die Sachen mindestens sechs Wochen statt vier behalten. Das sind Profis, die zahlen im Schnitt 70 bis 80 Mark Gebühren.“

So, wie die Kollegin, die für die Ausleihe der 30-Marks-CD von der Band Napalm Death 90 Mark zahlte. Profis wie sie zeichnen sich dann aber fairerweise vor allem durch ihr professionelles Zahlungsverhalten aus. „Die mit den hohen Gebühren, nehmen das lockerer und zahlen ohne zu murren. Anstrengend sind Leute, die nur geringe Gebühren zahlen müssen; die fangen schon bei zwei Mark fünfzig an zu diskutieren.“ Immerhin 290.000 Mark nimmt die Stadtbibliothek Bremen nach Auskunft ihrer Direktorin Barbara Lison jährlich an Mahngebühren ein. Die Erhöhung der Mahn- und Versäumnis-Gebühren führe allerdings nicht zwangsläufig zu höheren Einnahmen, da viele sich eher zusammenreißen.

Diese Rechnung hat sich offenbar auch die Staats- und Universitätsbibliothek zu Herzen genommen – jährliche Einnahmen: 300.000 Mark. Eine Mark fünfzig kostet das Vormerken von Büchern seit Februar 2000. Begründung des stellvertretenden SuUB-Leiters Wolfgang Budach: Seit das Vormerken selbständig am Computer möglich ist, hätten sich viele dazu verführt gefühlt, erst mal alles vorzumerken; nach dem Motto: Man kann ja nie wissen, wozu das Buch mal gut ist. Als Folge dieses triebgesteuerten Verhaltens würden die Hälfte aller vorgemerkten Bücher nicht abgeholt werden und zehn Tage herumliegen, ohne dass jemand das gebundene Wissen in sich aufsaugen kann.

„Money for nothing“, wettert der AStA und weist darauf hin, dass die Bibliothek so mies ausgerüstet ist, dass Studierende auf Vorbestellungen angewiesen sind, um die Pflichtlektüre wenigstens in der zehnten Semesterwoche in die Finger zu kriegen. Aus einem Briefwechsel zwischen AStA und Bibliotheksleitung geht hervor, dass kein Mitleid mit dem armen Studivolk zu erwarten ist. Auch die neue Entgeltordnung begründet Budach damit, dass sie den Service verbessern würde, da die NutzerInnen sich eher genötigt fühlen, die Bücher zurückzubringen: Bei vorgemerkten Büchern fällt sofort eine Mahngebühr von fünf Mark an. Dann wird es verdammt schnell verdammt teuer.

Die Frage „Service oder Schikane“ spaltet die Menschheit. Die, die sich nie so sehr in ein Buch vertiefen, dass sie die Gebührenordnung vergessen, schreien nach höheren Gebühren, damit sich wirklich alle dem bürokratischen Zwangssys-tem fügen. Diese Beamtenmentalität wird nur fadenscheinig mit christlicher Nächstenliebe getarnt: Es sei ja nicht nett, wenn jemand das Buch nicht bekäme, was er oder sie sich schon so lange wünscht. Ihre GegnerInnen sind die kulturvernarrten AnarchistInnen, diese WiderständlerInnen gegen Obrigkeitshörigkeit und fristgerechtes Leseverhalten. Denen hilft auch kein Mahnmal. Eiken Bruhn

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