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Jenseits von Afrika

Auf der „Import Shop“-Messe ist das Publikum so exotisch wie das Angebot: Schnäppchenjäger, Perlensammler und Mittelalterfreaks

von BARBARA BOLLWAHNDE PAEZ CASANOVA

Punkt zehn Uhr betritt ein Mann mit Krückstock und weißen Haaren die Halle. Ohne etwas Spezielles zu suchen, läuft er zielstrebig die Gänge entlang. „Mich interessiert alles, was schön billig ist.“ Der erste Stand, an dem er länger verweilt, bietet wertvolle Edelsteine an. Er zeigt auf einen grün schimmernden Stein. „Wie viel?“ – „4.000.“ – „Und der Granat hier?“ – „4.000.“ – „Von wo kommen Sie?“ – „Russland.“ – „Ich will nur wissen, ob Sie diesen rot und grün wechselnden Stein haben, Alexandrit. Kostet?“ – „2.000. Aber nicht heute.“ Die beiden vereinbaren einen Termin.

Auf der gestern eröffneten „Import Shop Berlin“ mit Ausstellern aus 23 afrikanischen Staaten und aus Südamerika, Asien und Europa ist das Publikum genauso bunt wie das Angebot. Da gibt es den Musiker aus Schöneberg, der für drei Mark eine Baumschote gekauft hat – obwohl er in Neukölln einen guten Laden mit ethnologischen Instrumenten kennt. „Hier lasse ich mich animieren und will die Leute unterstützen.“ Oder die junge Frau aus Pankow, die ihre erste eigene afrikanische Trommel erworben hat. „Das ist ein geiles Gefühl!“ Zwei Frauen im Batiklook lassen keinen Stand aus. „Wir kommen aus Frankfurt/Oder, und dort gibt es so was nicht.“ Interessant auch ein Pärchen – er Koch, sie Dermatologin – das in seiner Freizeit „das Mittelalter nachlebt“ und auf der Suche nach Stoffen, Steinen und Fellen für Kleidung ist. Professionelle Gründe treiben eine Perlensammlerin zur bis Sonntag dauernden Messe. Die 41-Jährige hat zum 31. März ihren Job im öffentlichen Dienst gekündigt und will in den Hackeschen Höfen den Perlenladen „Perlin“ eröffnen.

Auffällig viele Schulklassen aus Brandenburg hatten gestern das Klassenzimmer mit der Messe getauscht. Bis auf einzelne grimmige Gesichter von Kahlgeschorenen kam die Ergänzung des Geografieunterrichts gut an. Begeistern ließen sich auch Erwachsene. „Das ist wie Urlaub hier“, sagte eine blonde Mittfünzigerin aus Charlottenburg. Ihr Mann gab unumwunden zu, was ihn am meisten interessiert: „Die schönen Negerfrauen.“ Kaufen wollten sie, „was sonst nicht in den Kofferraum passt“. Nicht weniger deplatziert wirkte ein Weihnachtsmann, der durch die Flure stiefelte. Er warb für die nächste Import Messe im November. Die Messe Berlin GmbH will mit reduzierten Standmieten Aussteller zum Wiederkommen und Besucher zu Weihnachtseinkäufen animieren.

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