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Rohöl bleibt Kartellsache

Seit einem Jahr zeigt die OPEC einen seltenen Zusammenhalt. Trotz des Konflikts zwischen Saudis und Iranern hielt der Öl-Bund auch diesmal

von MATTHIAS URBACH

Noch funktioniert das Opec-Kartell. Doch es zeigt schon wieder Risse. Die Entscheidung von Dienstagnacht in Wien, die Fördermenge um 7 Prozent zu erhöhen, fiel gegen den ausdrücklichen Wunsch des Irans. Zwar kündigte gestern vormittag auch der iranische Ölminister Bidschan Namdar Sangeneh an, die heimische Produktion zu erhöhen, jedoch nur, um „die eigenen Interessen zu wahren“. Andernfalls müsste der Iran wegen der wieder sinkenden Preise bei konstanter Förderung empfindliche Einnahmeeinbußen hinnehmen.

Dies ist eine Belastung für das Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und Iran. Ob es auch die Opec schwächt, bleibt abzuwarten. Seit gemäßigte Kräfte im Iran an Boden gewinnen, war es gerade die Annäherung der beiden Länder, die die bereits totgesagte Opec im März 1999 wieder auf die Beine brachte. Der saudische Prinz Abdullah Ibn Abd al-Asis und der iranische Staatspräsident Mohammed Chatami wollten die „Hegemonie der USA auf dem Ölmarkt“ brechen.

Der 1998 drastisch gefallene Ölpreis tat ein Übriges, um die Opec-Staaten wieder an einen Tisch zu bringen. Er schwankte um die 12 Dollar pro Barrel – und ließ die Einnahmen der Opec-Länder um ein Drittel einbrechen. Das setzte bsonders Ländern wie Nigeria zu. Die Opec-Länder drosselten 1999 nicht nur wie schon so oft ihre Förderung. Diesmal hielten sie sie auch im Wesentlichen ein. Um rund 4 Prozent überstiegen die Mitgliedsländer die vereinbarte Menge. Nicht-Opec-Länder, wie Norwegen und Mexiko, schlossen sich der Verknappungsstrategie an. Vor allem Norwegens Nordseeöl war zum damaligen Weltmarktpreis kaum noch zu fördern.

Die Strategie hatte Erfolg. Der Rohölpreis überstieg zuletzt die psychologische Marke von 30 Dollar und rief die Industriestaaten, vor allem die USA auf den Plan. Sie befürchteten, der hohe Öl-Preis würde ihre Inflation antreiben. Es waren auch die USA, die in den vergangenen Tagen erheblichen diplomatischen Druck auf die Opec ausübten – unter anderem drohten die Amerikaner damit, ihre strategischen Ölreserven auf den Markt zu werfen, wenn es nicht zu einer deutlichen Erhöhung der Fördermenge gekommen wäre. Während der Bündnispartner Saudi-Arabien solchen Interventionen gegenüber offen ist, dürfte vor allem dieser Druck der Grund sein, der Iran Dienstagnacht an einer Zustimmung zum Opec-Kompromiss hinderte.

In den Wochen vor der Opec-Sitzung hatten die USA Verteidigungsminister William Cohen noch auf eine Tour durch die Ölstaaten entsandt. Weder Präsident Bill Clinton noch die beiden Bewerber um seine Nachfolge, George Bush und Al Gore, haben ein Interesse, dass ein hoher Benzinpreis den Wahlkampf dominiert. Trotzdem hatte der republikanische Kandidat Bush vorsorglich eine Senkung der Mineralölsteuern vorgeschlagen. Ganz wie in Deutschland reagiert auch die amerikanische Öffentlichkeit empfindlich auf steigende Benzinpreise. Was hier die 2 Mark pro Liter sind, sind dort die 1,50 Dollar pro Gallon (3,8 Liter).

Die Bild-Zeitung titelte gestern über einem Foto von der Wiener Ölministerrunde: „Hier wird unser Benzinpreis ausgekungelt.“ Das vermittelt ein schiefes Bild. Die Opec ist in ihrer Preisgestaltung keinesfalls souverän. Und der Ölpreis ist längst keine Waffe mehr der Opec oder der arabischen Staaten gegen die westlichen Industrienationen. Die meisten Ölstaaten müssen ihre schwächelnde Wirtschaft antreiben und ihre Auslandsschulden tilgen. Dieser Druck hatte in den Neunzigern die Disziplin der Opec-Staaten zusammenbrechen lassen. Jeder förderte, was die Quellen hergaben, um die Staatskasse zu sanieren. Die Ölpreise aber sanken immer tiefer. Das Geschäft lohnte sich kaum noch.

Erst seit der Einigung auf einen gemeinsamen Kurs im vergangenen Jahr konnten die Länder ihre Einnahmen wieder erhöhen, um 35 Prozent. Wenn es der Opec gelingen sollte, trotz der höheren Fördermenge den Ölpreis in diesem Jahr im Schnitt bei 24 Dollar zu halten, würde das ihre Einnahmen noch einmal um ein Drittel gegenüber dem Vorjahr steigern.

Die Ankündigung des saudischen Ölministers Ali al-Naimi, die Opec peile einen Ölpreis von 20 bis 25 Dollar pro Barrel an, ist nicht nur im Interesse der Opec. Auch in den Konzernzentralen der Ölmultis dürften die Manager aufatmen. Vor allem die aufwendige Ölförderung unter dem Meer ist bei einem anhaltend niedrigen Ölpreis kaum noch wirtschaftlich zu betreiben. Der niedrige Rohölpreis der vergangenen Jahre verschärfte den Fusionsdruck erheblich. Im vorigen September übernahm Total-Fina den französischen Konkurrenten Elf Aquitaine, der selbst im Juni aus der Fusion der belgischen Petrofina und der französischen Total entstanden war. Im April 1999 hatte BP mit der US-Firma Amoco eine Übernahme ausgemacht, die allerdings durch die US-Kartellbehörde auf Eis gelegt wurde. Die beiden Konzernchefs begründeten den Fusionswunsch ausdrücklich mit den „unsicheren Ölpreisen“. Kurz davor hatte Exxon die Firma Mobil übernommen. Die Übernahmen im Mineralölmarkt erreichten nach Schätzungen der Pariser Fachzeitschrift Pétrostratégies in den vergangenen zwei Jahren einen Wert von 240 Milliarden Dollar. 1997 waren es noch 40 Milliarden.

Im Unterschied zu den Ölkrisen der 70er und 80er hat Rohöl inzwischen eine erheblich geringere Bedeutung für die Industrieländer. In den frühen 80ern machte es noch rund 13 Prozent der Importausgaben aus. Zuletzt waren es trotz der wieder gestiegenen Rohölpreise rund 4 Prozent. Im Dezember fragte das Wall Street Journal provokant: „Der Ölpreis hat sich verdoppelt. Wo bleibt die Rezession?“ Der Artikel zitiert einen Ökonomen, der empfiehlt, sich lieber über die hohen Schweinepreise zu beklagen anstatt über den Ölpreis.

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