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Stolz, stolzer, Stölzl

Es ist vollbracht. Christoph Stölzl, vor geraumer Zeit noch zweite Wahl, wird Berliner Kultursenator, und alle freuen sich.Die spannende Frage ist nun: Wie kommt der einstige Kohl-Intimus mit Kulturstaatsminister Naumann ins Geschäft?

von RALPH BOLLMANN

Das Phantom hat seit gestern einen Namen: Der parteilose Historiker Christoph Stölzl tritt als Kultursenator die Nachfolge der Unionspolitikerin Christa Thoben an, die in der vergangenen Woche überraschend zurückgetreten war. Erst nach langem Zögern entschied sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) für den früheren Direktor des Deutschen Historischen Museums, nachdem andere Kandidaten – darunter Finanzsenator Peter Kurth (CDU) – abgewinkt hatten. Stölzl soll am 13. April im Abgeordnetenhaus gewählt werden.

In der Kulturszene wurde Diepgens widerstrebend getroffene Wahl durchweg begrüßt (siehe unten). Bereits in den vergangenen Tagen hatte sich eine Reihe von Intendanten der Berliner Bühnen für einen Kultursenator Stölzl stark gemacht. Zu diesem Kreis gehörte auch Philharmoniker-Intendant Elmar Weingarten. Ihm werden Ambitionen nachgesagt, den glücklosen Kultur-Staatssekretär Alard von Rohr zu beerben.

Stölzl war offenbar als einziger bereit, das schwierige Senatorenamt zu den gegebenen Bedingungen zu übernehmen. Politiker verschiedener Couleur machten gestern deutlich, dass der neue Senator nicht mit zusätzlichen Geldern aus dem Landeshaushalt rechnen kann. SPD, PDS und Grüne mahnten fast gleichlautend die „notwendigen Strukturreformen“ an. Die CDU hingegen scheint eher darauf zu setzen, dass Stölzl beim Staatsminister für Kultur, Michael Naumann (SPD), zusätzliche Bundesmittel beschafft.

Anders als die meisten Lokalpolitiker weiß Stölzl aber, dass damit eine größere Mitsprache des Bundes verbunden ist. „Berlin gehört nicht mehr den Berlinern“, schrieb der 56-Jährige, der erst vor wenigen Monaten als Feuilletonchef zu Tageszeitung Die Welt wechselte. Die Berliner Gremien seien „mit ihrem Latein am Ende“. Die Kulturhoheit der Bundesländer ist für Stölzl in der Hauptstadt ohnehin nur noch eine „Lebenslüge“.

Stölzls Verhältnis zum Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, galt jedoch lange Zeit als schlecht. Nach heftigen Wortgefechten im Wahlkampf verbaute die rot-grüne Bundesregierung dem langjährigen Kohl-Intimus Stölzl den Weg an die Spitze der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Auch der Etat des Geschichtsmuseums schrumpfte nach dem Regierungswechsel empfindlich. Nach eigenem Bekunden haben sich die beiden kulturbeflissenen Salonlöwen aber längst ausgesöhnt.

Bereits nach den Wahlen von 1995 hatte sich Stölzl mit einem Idealporträt seiner selbst für den Posten ins Gespräch gebracht. „Der Kultursenator“, schrieb er damals, „ist kein Mann aus dem Elfenbeinturm. Mit List und Beharrlichkeit sorgt er für das größtmögliche finanzielle Glück der größtmöglichen Zahl.“

Anders als Thoben, die von ihrer Premieren-Abstinenz nur bei Didi Hallervorden eine Ausnahme machte, war Stölzl schon bisher bei allen wichtigen Ereignissen des Berliner Kulturlebens anzutreffen. Einarbeiten muss er sich also kaum noch. Eine Schonfrist werden ihm die Akteure auch nicht zugestehen. „Bis zur Sommerpause“, sagt SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit, müsse der neue Senator ein Konzept vorlegen.

Während die Kulturschaffenden jubeln, endlich wieder einen der Ihren an der Spitze des Ressorts zu sehen, ist Stölzl für den Berliner Politikbetrieb eher eine kaum berechenbare Größe. Seine kurze Amtszeit als stellvertretender FDP-Landeschef 1989/90 blieb Episode, 1995 kehrte der Stadtschloss-Freund den Liberalen wieder den Rücken. Als er in den frühen Achtzigern das Münchner Stadtmuseum leitete, erregten seine Ausstellungen bisweilen den Unmut der CSU-Landespolitiker. Und schließlich ist Stölzl, der sich selbst als „aufgeklärter Konservativer“ beschreibt, noch aus Saarbrücker Studienzeiten mit Bundesverkehrsminister Reinhart Klimmt (SPD) befreundet.

Eines wird Stölzl jedenfalls nicht behaupt können: dass er nicht wüsste, auf welche Aufgabe er sich eingelassen hat. Staatsopernchef Daniel Barenboim fasste die Lage noch einmal in drastische Worte: „Was hier passiert, würde man nicht mal in einer Stadt der Dritten Welt erwarten, das ist Vierte Welt.“

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