der bär scheißt in den wald von RALF SOTSCHECK :
Was machen die Briten eigentlich mit Toilettenpapier? Sie wickeln kleine Hunde darin ein. Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls, wenn man sich die Fernsehwerbung anschaut. Bei Marktführer Andrex tollt ein Labradorwelpe durch die Wohnung, verheddert sich im Klopapier und zieht so lange daran, bis die Rolle leer ist. Herrchen sitzt derweilen vermutlich auf dem Topf und reißt die Sun in kleine Stücke, um sich damit den Hintern abzuwischen – eine angemessene Verwendung für den bedruckten Schmutzkübel.
Andrex wird vom Kimberly-Clark-Konzern hergestellt. Vorbei sind die Zeiten des groben Sandpapiers und der Paviangesäße. Heutzutage gibt es doppellagiges, dreifachlagiges, gepolstertes und feuchtes Papier. Niemand verkauft mehr davon als Andrex mit seinem Hündchen. 650 Millionen Pfund ist das große Geschäft wert, jede Minute wischen sich die Briten für umgerechnet knapp 4.000 Mark den Hintern ab.
„Wichtig ist, was hinten rauskommt“, wusste bereits Exkanzler Helmut Kohl, und das meinen auch Procter & Gamble, die Rivalen von Kimberly-Clark. Sie brachten ein neues Toilettenpapier auf den Markt: Charmin, das klingt wie Parfum. Es ist nicht nur mehrlagig, sondern auch von besonderer „Nassstärke“. Das bedeutet, dass es auch in feuchtem Zustand nicht reißen soll und der Finger nicht ... Sie wissen, was ich meine.
Aber das zeigen sie in der Werbung nicht. Stattdessen soll ein Zeichentrickbär den Verkauf ankurbeln. Der Klopapierbär scheißt in den Wald, putzt sich den Allerwertesten an einem Baum ab und trollt sich mit einer intakten Rolle Charmin. Was will man damit sagen? Nehmt einen Holzscheit, der reißt garantiert nicht? Charmin hat bereits zehn Prozent des Marktes erobert.
Das ist der Konkurrenz ein Dorn im Auge, und so heckte sie eine Gemeinheit aus. In der Zeitschrift Marketing Week wird beschrieben, wie das nassstarke Papier die Kanalisation verstopft. Der Autor zitiert zahlreiche Wasserindustrieexperten und malt ein düsteres Bild: Das neumodische Papier verstopft Britanniens Toiletten, weil es nicht abbaubar ist. Das ganze Land wird von einer gewaltigen Güllewelle überschwemmt.
Die Experten stritten ab, sich zu der Frage überhaupt geäußert zu haben. Procter & Gamble vermutet, dass es sich – im wahrsten Sinne des Wortes – um einen schmutzigen Trick von Kimberly-Clark handelt. Der „Verband der Hersteller von Produkten aus weichem Tuch“ will die Angelegenheit untersuchen.
Procter & Gamble sind freilich keine Waisenknaben. 1994 haben sie einem Konkurrenten eins ausgewischt: Unilever musste sein „Persil Power“ vom Markt nehmen, nachdem Procter & Gamble behauptet hatte, das Waschmittel würde den Stoff angreifen und die Farben ausbleichen. Unilever demonstrierte an einem Damenschlüpfer die Harmlosigkeit des Waschpulvers, aber dessen Ruf war bereits ruiniert.
Procter & Gamble wehren sich nun gegen die Vorwürfe, mit ihrem Charmin den Untergang des britischen Reiches zu planen. Der Konzern versichert, das Papier würde die Entwässerung sogar erleichtern, weil es mehr „feste Materie“ aufnehme. Das ist ja ekelhaft. Oder sind damit kleine Hunde gemeint?
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