: Pfennigfuchser-TV
Künftig will Sat.1 seine Zuschauer fürs Sat.1-Gucken bezahlen – „Treuepunkte“ machen’s möglich, sinkende Quoten machen’s nötig
von ARNO FRANK
Unvergessen klingt der seifige Slogan im Ohr, mit dem sich Sat.1 einst seinem Publikum an die Brust warf: „Sat.1 – Ich drück dich“ schmachtete der Berliner Privatsender, als wäre er eine liebestolle Tante.
„Sat.1 – Ich lohn mich!“, könnte es ab Juni heißen, wenn der Sender mit einer in Deutschland bisher einmaligen Aktion auf Quotenjagd geht: „Wir sind wieder der erste Sender in Deutschland“, verkündete Sat.1-Sprecher Wolf Tilmann Schneider, „der seine Zuschauer fürs Fernsehgucken belohnt“.
Pay-TV mit anderen Vorzeichen: Nicht etwa lohnendes Programm soll die ZuschauerInnen künftig vom Zappen abhalten – sondern Geld. Wer nämlich eingeblendete Fragen zum aktuellen Programm beantworten kann, der bekommt auf einer zuvor erworbenen „Payback“-Karte Bonuspunkte gutgeschrieben. Ein Punkt entspricht dabei 2 Pfennig. Haben sich erst mal 1.500 Punkte angesammelt – das entspricht 30 Mark bzw. 15 Euro –, kann mit der Payback-Karte eingekauft werden. Bundesweit gibt es für die Karte etwa 16.000 Vertriebsstellen, vom Touristikunternehmen über eine Tankstellenkette bis zum Optiker.
Zwar gehören Omas Rabattmarken ebenso der Vergangenheit an wie Mutters „Treuepunkte“ auf Waschmittelverpackungen – doch haben Unternehmen wie die Deutsche Lufthansa das Prinzip längst ins elektronische Zeitalter überführt. „Miles & More“ nennt sich das Programm, mit dem Lufthansa seit Jahren rabattfreudiger Konkurrenz von Delta oder United Airlines Paroli bietet. Vielflieger können auf der „Miles & More“-Karte Meilen sammeln und sie ab einer bestimmten Distanz in Freiflüge umwandeln.
So begeistert ist das Unternehmen über den Erfolg seines „Miles & More“-Programms, dass es alle deutschen Verbaucher mit der Idee beglücken will: Die Firma Loyalty Partner wurde aus der Taufe gehoben – Geschäftsführer ist mit Alexander Rittweger eben jener Manager, der bei Lufthansa für „Miles & More“ verantwortlich war, Geschäftsadresse ist der Münchener Flughafen. Im „branchenübergreifenden Kundenbindungsprogramm für Top-Unternehmen aus Handel und Dienstleistung“ ist also gleichsam ein Rabatt-Kartell aus Kaufhof, DEA, Palmers, Apollo Optik, Europcar oder den UFA-Lichtspielhäusern engagiert. Und weil das Payback-System, im März angelaufen, noch nicht richtig in Schwung gekommen ist, schaute sich Rittweger nach potenziellen Partnern um – und stieß bei Sat.1 auf helle Begeisterung.
Der Sender bietet zwar selbst keine Waren feil, ist aber ein ideales Werbeinstrument. In der Hoffnung, seinen eigenen Marktanteil zu erhöhen, wird Sat.1 nach Kräften für Loyalty Partner und das Bonussystem die Werbetrommel rühren – mit aggressiver Promotion zur besten Sendezeit. Richtige Antworten sollen mit bis zu 100 Punkten belohnt werden – und zwar per Anruf bei einer Hotline, der mit 24 Pfennig pro Minute zu Buche schlägt.
„Sat.1 ist da ein bisschen vorgeprescht“, heißt es im Payback-Call-Center, wo man über die frühe Pressemitteilung des Senders nicht eben glücklich ist und keine Auskünfte erteilen kann. Und auch bei Sat.1 gibt’s keine verlässliche Auskunft darüber, wann genau die Aktion starten und wie lange sie laufen soll. Momentan ist nicht einmal geklärt, ob Sat.1 das etablierte Call-Center von Payback nutzen wird. Müssten die Berliner erst einen eigenen Apparat für Beratung und Abrechnung aufbauen, dann könnte es teuer werden.
Diese Erfahrung jedenfalls haben vor Sat.1 schon andere Anstalten gemacht, vor allem auf dem heftig umkämpften US-amerikanischen Fernsehmarkt. Dort ist Rabatt fürs Glotzen ein alter Hut – doch der Nutzen, den etwa ein Sender wie NBC aus der „Kundenbindung“ ziehen konnte, egalisierte sich meist durch die Vielfalt an konkurrierenden Modellen und Nachlassangeboten. In Deutschland aber steht Sat.1 erst mal alleine da. Nur der Münchener Sender Pro 7 hatte durch Gegengeschäfte mit der Supermarktkette Tengelmann das Terrain sondiert, bald aber wieder verlassen.
Es sind schließlich Gegengeschäfte dieser Art, die eine der Lebenslügen der werbefinanzierten Sender entlarven: Während sie einerseits ARD und ZDF das „Drehen an der Gebührenschraube“ vorwerfen, bitten sie andererseits ihre ZuschauerInnen selbst zur Kasse – im Supermarkt nämlich, wo Hersteller ihre Werbekosten kurzerhand den Produkten aufschlagen. Es rührt, dass hier nun ritterlich Nachlass gewährt werden soll. Und erinnert an den feinen Unterschied zwischen Zuschauer und Kunde.
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