: Atomwaffengegnerin im Knast
Freiburger Friedensbewegte protestieren gegen Atombombendepot in der Eifel – weil es nach internationalem Recht völkerrechtswidrig ist. Eine Aktivistin geht in den Bau, enttäuscht von der laxen Haltung der rot-grünen Bundesregierung
aus Freiburg CHRISTIAN RATH
Die Freiburger Friedensaktivistin Rebecca Kleinheitz trat am Wochenende eine 20-tägige Haftstrafe an. Sie hatte mit 17 anderen Mitgliedern der „Gewaltfreien Aktion Atomwaffen abschaffen“ (GAAA) das deutsche Atomwaffendepot in Büchel „inspiziert“, um auf die „völkerrechtswidrige“ Lagerung von Atomwaffen hinzuweisen.
Mit der Aktion, die im April 1997 stattfand, wollten die Anti-Atom-Aktivisten darauf aufmerksam machen, dass in Deutschland auch nach dem Abzug der Pershing-Raketen und Cruise-Missile-Marschflugkörper immer noch Atombomben stationiert sind. Auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in der Eifel lagern nach GAAA-Angaben elf US-Atomsprengköpfe mit einer Zerstörungskraft von je 15 Hiroshima-Bomben. Im Ernstfall würden deutsche Piloten sie mit Bundeswehr-Tornados für die Nato zum Einsatz fliegen.
Ziel der alternativen „Inspektionen“ war es, diese Atomwaffen vor Gericht zu bringen. In mehreren Prozessen wegen Hausfriedensbruch argumentierten die Aktivisten, dass Einsatz und Androhung von Atomwaffen nach einem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) „völkerrechtswidrig“ sei. Das Gutachten hatte das in Den Haag sitzende Gericht 1996 auf Antrag der UNO-Generalversammlung erstellt. Die Richter sahen im Atomwaffeneinsatz einen „generellen Widerspruch“ zu den Regeln des humanitären Völkerrechts, weil beim Einsatz von Nuklearwaffen nicht zwischen militärischen und zivilen Zielen unterschieden werden könne.
In Übereinstimmung mit der alten Bundesregierung legten die Gerichte das Gutachten jedoch so aus, dass Besitz und Lagerung von Atomwaffen nicht generell verboten sei. Der UN-Gerichtshof hatte offen gelassen, wie die nukleare Option „in einer extremen Notwehrsituation, in der das reine Überleben eines Staates auf dem Spiel stehen würde“, zu beurteilen ist. Diese Einschränkung hält Kleinheitz für nebensächlich: „Es gibt derzeit doch gar keine existenzielle Bedrohung der Bundesrepublik.“
Die neue rot-grüne Bundesregierung hat auf Nachfrage der taz offen gelassen, wie sie die Völkerrechtswidrigkeit von Atomwaffen beurteilt. Im Koalitionsvertrag hatten SPD und Grüne angekündigt, zumindest auf den Ersteinsatz von Atomwaffen zu verzichten. Ein entsprechender Vorstoß von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) war im November 1998 von den USA allerdings eher unverständig aufgenommen worden. Nato-Gremien verhandeln gerade über die Fortgeltung der bisherigen Nuklear-Strategie.
Die Freiburger Atomwaffengegner sind dennoch von der Bundesregierung enttäuscht. Sie nutzen daher die Inhaftierung von Kleinheitz, um für UnterstützerInnen zu werben. Die 24-jährige Studentin der Heilpädagogik hatte sich geweigert, eine Geldstrafe in Höhe von 400 Mark zu bezahlen. Nun planen ihre Mitstreiter wieder eine „Inspektion“: Am 24. April wollen sie Eucom in Stuttgart-Vaihingen besuchen, die europäische Kommandozentrale für US-Atomwaffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen