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Auf Heimatsuche

Prozess gegen spanische Wohnungsbaugesellschaft.Tausende Familien hoffen auf Schadenersatz

MADRID taz ■ Der DGB und seine Neue Heimat standen Vorbild, als die spanische Gewerkschaft UGT 1988 mit großer Werbekampagne ihre Wohnungsbaugenossenschaft PSV gründete. Nur fünf Jahre später folgte die Kopie dem Original und war ebenfalls bankrott. Die Regierung unter Felipe González beschlagnahmte das Unternehmen und rettete, was zu retten war. Seit gestern stehen sieben leitende Angestellte der gewerkschaftseigenen Bankrottkooperative vor Gericht. Gegen den ehemaligen PSV-Geschäftsführer Carlos fordert der Anti-Korruptions-Staatsanwalt acht Jahre und zwei Monate. Das Mammutverfahren wird bis mindestens Ende dieses Jahres dauern.

Als die Madrider Sparkasse der PSV Ende 1993 jeden weiteren Kredit verweigerte, begann der Abstieg des Unternehmens der sozialistischen UGT. Zum Jahresende erklärten der Genossenschaftsbetrieb und die gewerkschaftseigene Holding IGS die Zahlungsunfähigkeit. Die Betriebe standen mit insgesamt 2,5 Milliarden Mark in der Kreide.

1989 bot die Wohnungsbaugesellschaft die ersten 700 Wohnungen an. Die Preise, die mit 150.000 Mark weit unter dem Üblichen lagen, lockten 2.000 Familien an. Neue Programme wurden aufgelegt. In den Folgejahren wuchs die PSV auf 20.000 Genossenschaftler an, mit jeweils 40.000 Mark Einlage. Heute, sechs Jahre nach dem Bankrott, soll der oberste spanische Strafgerichtshof, die Audiencia Nacional, klären, an was die IGS und mit ihr die PSV zu Grunde gingen. Was ihnen wahrscheinlich zum Verhängnis wurde, war ihre Loyalität der Gewerkschaft gegenüber. Die IGS, Holding der PSV, kaufte der UGT mehrere unrentable Betriebe im Versicherungs- und Tourismuswesen ab. Von diesem Gefallen sollte sich die IGS nie wieder erholen. Gleichzeitig war das ehrgeizige Wohnungsbauprogramm viel zu schnell gewachsen. Die Hypothekenlast trieb die angeschlagene Holding endgültig in die Pleite. Die Verhandlungen hinter den Kulissen mit der Regierung González, um Bürgschaften zu erreichen, blieben fruchtlos.

Nach der Übernahme durch die öffentliche Hand wurde das Unternehmen saniert. Draufbezahlt haben dabei nur die Wohnungskäufer. Wer ausstieg, bekam nur drei Viertel des Geldes zurück. Wer blieb, musste höhere Baupreise in Kauf nehmen. Über 6.000 Betroffene treten im Verfahren als Nebenkläger auf. Sie wollen für die 20.000 PSV-Familien 220 Millionen Mark Schadenersatz erstreiten. Zu zahlen wäre dieses Geld von der Gewerkschaft. REINER WANDLER

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