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„Das mutet an wie nach einer Scheidung“

■ GAL-Fraktion will heute in der Bürgerschaft Deputierte des Regenbogens abwählen

Als Dirk Hauer 1993 von der GAL in die Deputation zur Sozialbehörde geschickt wurde, war noch alles in Ordnung. Als fünf Jahre später Holger Gisch ebenfalls auf GAL-Ticket Deputierter bei der Schulbehörde wurde, war auch noch kein Problem in Sicht. Das trat auf, als beide im Vorjahr zum Regenbogen überwechselten, ihre Deputate aber behielten. Die GAL will beide daher heute in der Bürgerschaft abwählen lassen. Was für den Regenbogen „politische Zensur“ bedeutet, ist für die GAL nur „folgerichtig“.

Die Deputierten sollen die Behördenarbeit beratend begleiten, haben Akteneinsicht und dürfen in Haushalts- und Personalfragen auch abstimmen. „Hier sollen Leute mit Fachverstand tätig sein und keine Parteisoldaten“, sagt Regenbogen-Sprecherin Heike Sudmann. Und da sie Hauer und Gisch für Fachleute hält, sieht sie auch keinen Grund für eine Abwahl. Sie vermutet vielmehr: „Jetzt, da Grün regiert, erträgt es wohl keine kritischen Geister mehr.“

Die Abwahl hat politische, keine fachlichen Gründe, daraus macht auch der stellvertretende GAL-Fraktionschef, Martin Schmidt, kein Hehl. „Da beide auf Vorschlag der GAL in die Deputation gekommen sind, kann man davon ausgehen, dass sie hochqualifizierte Leute sind“, sagt er. Der Deputierten-Platz stehe jedoch der GAL zu, und den werde man auch beanspruchen. „Er gehört unserer Fraktion und ist als solcher zu besetzen, und bestimmt nicht mit Personen, die sich offen als Gegner der grünen Politik erklärt haben.“ Hauer, seit 1991 Referent der GAL-Fraktion, kümmert sich heute beim Regenbogen um Sozial- und Flüchtlingspolitik. Gisch ist der Schulexperte des Regenbogens.

„Das mutet ein bisschen an wie nach einer Scheidung“, macht Sudmann gekränkte Eitelkeit als Motiv des grünen Abwahlwunsches aus. Für Schmidt ist das Unfug. „Dem Regenbogen geht es nur darum, über die Deputierten an hinreichende Informationen heranzukommen“, sagt er. Überhaupt seien die Deputationen inzwischen „ein rein nach Parteienproporz besetztes Gremium“; alle wüssten, dass es mit der Unabhängigkeit der Deputierten nicht mehr weit her sei.

Hauer hatte der GAL nach seinem Wechsel zugesagt, sich vor Abstimmungen bei der Deputation mit der grünen Fraktion abzusprechen. Diese habe auf dieses Angebot aber nicht reagiert. Stattdessen erhielt er im Januar einen Brief der GAL-Fraktion, in der er aufgefordert wurde, sein Amt niederzulegen. Davon, dass er heute abgewählt werden solle, erfuhr er über die Tagesordnung der Bürgerschaft. Peter Ahrens

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