Yen-seits von Eden

Wahre Lokale (14): Das sündenreiche „Firehouse“ im philippinischen Manila

„Dies ist das Paradies“, raunte mir ein Freund aus Australien bei seinem ersten Besuch im „Firehouse“ ergriffen zu – umringt von einer Reige reizender Evastöchter, die heftig mit ihm flirteten, um ihn in Versuchung zu führen.

Zwar ist die an Manilas Hauptverkehrsader EDSA gelegene Tanzbar nicht so intim wie das enge Ur-„Firehouse“ im Stadtteil Ermita. Es wurde Ende der 80er Jahre vom damaligen Polizeichef Lim gschlossen, der sich als puritanischer Saubermann für den Posten des Bürgermeisters bewarb. Das heutige „Firehouse“ ist größer, mit geräumigen Sitzecken, zwei Theken, Edelstahl-tanzfläche und einer breiten Bühne. Sie bietet Platz für rund 50 leichtgeschürzte Go-go-Girls, die aus einem Loch in der Decke an einer Stange wie Feuerwehrleute zum Einsatz rutschen.

Musikalisch hat sich jedoch wenig geändert: keine Disco-Schnulzen, kein Techno-Gehämmer, sondern grundehrlicher Hardrock vom Kaliber AC/DC. Auch der alte Manager ist wieder da: Korrekt im weißen Oberhemd gekleidet, hat der höfliche Amerikaner immer ein offenes Ohr für die Gäste, um die sich zahlreiche Bardamen kümmern. Auf den Philippinen werden sie kurz GRO genannt, Guest Relation Officer. Im Vergleich zu ihren oft kaltschnäuzigen Kolleginnen in Deutschland sind diese Kontaktbeamtinnen weit diplomatischer, liebenswürdiger und entgegenkommender. Ein Blick genügt, und schon setzt sich eine Grazie zum Gast. So haben im „Firehouse“ auch scheue Männer die Chance, eine entzückende Frau kennenzulernen. Nach ihren drei Standardfragen „Wie heißt du? Woher kommst du? Wo wohnst du in Manila?“ ist es angesagt, einen „Lady’s Drink“ für die Dame zu bestellen. Der kostet etwa doppelt soviel wie das Bier zu 4,50 Mark, das man selber trinkt. Eine GRO bezieht kein Gehalt, sie kassiert 50 Prozent bei jedem Lady’s Drink, den man ihr spendiert. Doch man wird, anders als in vielen vergleichbaren Lokalen, keinesfalls genötigt, so einen Drink zu ordern. Allerdings geraten allzu Sparsame schnell in den schlechten Ruf, ein „Cheap Charly“, ein Pfennigfuchser zu sein. Und die sind unbeliebt bei den Ladys hier.

Bei gegenseitiger Sympathie bleibt eine GRO auch ohne Drink an der Seite des Gastes sitzen. Dem Neugierigen erzählt sie aus ihrem Leben. Typisch für die GROs im „Firehouse“ ist die Geschichte einer 29-jährigen Mutter, die hier unter dem Künstlernamen Minerva arbeitet: Durch Schwangerschaft erzwungene Heirat mit einem Filipino in der Provinz. Drei Kinder. Der Gatte geht fremd, trinkt, spielt, schlägt seine Frau. Sie verlässt ihn, zieht mit den Kindern nach Manila zu einer Cousine. Deren Mann ist arbeitslos, und so sieht sich Minerva genötigt, den Lebensunterhalt für die Familie allein zu verdienen. Da das mit den Einnahmen aus den Lady’s Drinks kaum möglich ist, begleitet sie Gäste gelegentlich aufs Hotelzimmer. „Aber nur, wenn ich ihn mag; hier kann mich keiner zwingen, mit einem Mann zu gehen.“

Die Frauen im „Firehouse“ entsprechen keinesfalls der von westlichen Medien oft verbreiteten Vorstellung von der sanftmütigen, asiatischen Liebesdienerin. Zuhälter haben hier keinen Zutritt, die Frauen arbeiten selbständig und sind sehr selbstbewusst. Willigt eine ein, den Gast ins Bett zu bringen, so muss er 40 Mark als Auslöse an die Bar bezahlen. Ihr Honorar macht die Gunstgewerblerin privat mit dem Kunden aus.

Wer einfach nur etwas trinken und das Ambiente genießen will, vermeidet am besten den Blickkontakt mit GROs oder Go-go-Girls. Er lässt sich auch durch im Vorbeigehen gesäuselte Koseworte oder sanfte Kniffe in seinen Hintern nicht irritieren. Statt dessen bewundert er die Ballerinen auf der Bühne oder amüsiert sich über einen betrunken auf der Tanzfläche torkelnden Abendländer. Er kann auch Musikvideos oder das Sportprogramm auf den zwei Bildschirmen betrachten. Oder er starrt einfach ins Bierglas und grübelt über den Sinn seines Daseins.

Nach Mitternacht steigt die Stimmung, die Hemmschwelle sinkt. Engumschlungene Pärchen schmusen schwankend auf der Tanzfläche oder knutschen im Separee. Auf der Bühne übt eine geschmeidige Verführerin an der Feuerwehrstange laszive Hüftbewegungen. Durch unmissverständliche Zeichen mit der Zunge machen Damen den noch unentschlossen solo sitzenden Herren klar, was Sache ist.

Richtig hoch her geht es, wenn eine Gruppe spendabler Japaner die Puppen tanzen lässt. Vom Geruch der Yen angelockt belagern dann Dutzende von Frauen die Sitzecke der reichen Asiaten und buhlen um Aufmerksamkeit. Aufgeputscht durch Alkohol oder Amphetamine werden Busen und Schamhaare entblößt, zwei Tänzerinnen simulieren Sex, eine andere rutscht rhythmisch auf dem Schoß eines beduselt grinsenden Yen-Spenders hin und her.

Wer um vier Uhr früh seinen Durst noch nicht löschen oder keine passende Partnerin finden konnte, hat Pech gehabt. Auch im „Firehouse“ erfolgt nach dem Sündenfall die Vertreibung aus dem Paradies. RALPH UMARD