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Die Liebe im Terrarium

Angélique lässt grüßen: In Tonie Marschalls Film „Schöne Venus“ wird ein Schönheitssalon zum rosa-blauen Ort der Träume

Die Damen eines Schönheitssalons und ihre Suche nach Liebe und Glück – als deutscher Film wäre das in der besten Variante eine kleine bösartige Komödie über die Ambivalenzen des Körperkultes, deren Witz sich hart am Rande der Geschmacklosigkeit halten würde. In der britischen Version dagegen wäre gut vorstellbar, dass der Akzent ganz auf dem vitalen Charme der Unterschichtsfrauen liegt, die sich lustvoll ihr schlampiges Glück erobern; schließlich glaubt die britische Klassengesellschaft immer noch daran, dass die weniger Privilegierten intensiver leben. Die Amerikaner würden bei einem solchen Stoff wieder ihr Dienstleistungsethos zur Schau stellen und geflissentlich jeden Topf mit einem Deckel versorgen.

„Schöne Venus“ ist ein französicher Film, und wie zu erwarten geht es deshalb vor allem um Liebe in ihrer diskursiven Variante, will heißen, es wird viel darüber geredet. Trotzdem ist der Schönheitssalon und sein Innenleben in erster Linie ein Komödienstoff. Bei Tonie Marschall – die für Regie und Buch zwei der vier Césars erhielt, mit denen „Schöne Venus“ in Frankreich ausgezeichnet wurde – ist die Komödie jedoch so melancholisch abgetönt, dass man sie nur noch an einigen Repliken erkennt („Eine Feuchtigkeitscréme bitte, nicht zu teuer, es ist ein Geschenk“). Das hat den Vorteil, dass die Figuren nicht zur Karikatur verkommen – weder die alles strukturierende Nummernrevue der Kundinnen, noch die Angestellten. Rosa und Blau sind die Farben des Films, dem im Ganzen etwas Unwirklich-Träumerisches anhaftet. Immer wieder wird der Salon durch die gläsernen Fassaden von der Straße aus gezeigt; fast hat man den Eindruck, ins Innenleben eines Terrariums zu blicken. Hier herrscht Chefin Nadine in stets penetrant freundlichem Tonfall über ihre drei „Mädchen“: die kleine Marie, die sich einen reichen älteren Liebhaber angelt, die Schlampe Samantha, die schließlich von der oberflächlichen zur eigentlichen Körperpflege ins Krankenhaus wechselt, und Angèle, mit ihren über vierzig Jahren die Älteste und der bittersüße Schwerpunkt des Films.

Verkörpert von Nathalie Baye ist sie ein Wunder an Mädchenhaftigkeit – wie sie sich gibt, wie sie sich kleidet, wie sie redet. Oft, sehr oft handeln Komödien vom Kind im Manne – in „Schöne Venus“ geht es um das Mädchen in der erwachsenen Frau, und siehe da, das ist gar nicht so lustig. Denn Angèle ist einerseits eine Frau, die viel erlebt hat und Männer souverän im Schnellimbiss aufzureißen weiß, andererseits wirkt sie im Schwanken zwischen ehemaligen und zukünftigen Liebhabern völlig verloren. „Ich kenne niemand, der trauriger ist als du“, sagt eine Freundin zu ihr, und man möchte ihr zustimmen.

Angèles Träume scheinen in die Brüche gegangen, nur noch in Rudimenten vorhanden, und über den Film verstreut wie die Anspielungen auf „Angélique“, jene Lieblingslektüre vieler kleiner Mädchen. Robert Hossein, dereinst in der Verfilmung dieser pulp fiction den in der Erotik so versierten Joffrey de Peyrac gab, spielt hier einen ehemaligen Flieger, der seine Kosmetikerin verführt. Die Narbe, die Peyrac in „Angélique“ so hässlich und attraktiv zugleich machte, trägt hier der ehemalige Liebhaber Angèles. Sie selbst hat sie ihm zugefügt und so eine Bindung durch Schuld geschaffen, aus der sie sich kaum befreien kann.

Am Ende steht Angèle in höfischer Ballverkleidung und mit aufgestecktem Haar in einer Art Sternenregen im Salon. Ihr Märchenprinz, ein junger Träumer mit Struwwelhaar, der so recht nicht zu ihr passen will, hat soeben das Attentat seiner eifersüchtigen Exfreundin vereitelt. Von außen betrachtet ist Angèle nun die Heldin eines kitschigen Liebesromans. Aber unter dem Lächeln und den Küssen ihres Prinzen bewahrt sie sich immer noch ihr trauriges kleines Gesicht. BARBARA SCHWEIZERHOF

„Schöne Venus“. Regie: Tonie Marschall. Mit Nathalie Baye, Bulle Ogier u. a. Frankreich 1998, 105 Min.

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