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Nur die Besten rein?

Wirtschaft ist unzufrieden mit Schröders Green Card. Hochschulabschluss sei eine zu hohe Hürde. CDU startet Wahlkampf gegen die Green Card

BERLIN taz/dpa ■ In Nordrhein-Westfalen läuft der Wahlkampf seit gestern auf Hochtouren. Ungeachtet aller Proteste lieferte die CDU 100.000 Postkarten an ihre Kreisverbände mit dem Aufdruck: „Mehr Ausbildung statt mehr Einwanderung“.

Mit den Postkarten und der negativen Diskussion um die so genannte Green Card würden ausländerfeindliche Emotionen geschürt, bemerkte der Caritasverband. Redewendungen wie „Inder statt Kinder“, „Ausbildung statt Ausländer“ oder „Indernet“ dienten dazu, Stimmung gegen Einwanderer zu machen.

Die Arbeitgeber beschwerten sich massiv über die Regelung, mittels derer die Bundesregierung bestimmte Computer-Experten befristet für fünf Jahre ins Land holen will. „So, wie die Verordnung des Arbeitsministers derzeit vorliegt, ist sie unbrauchbar“, sagte ein Sprecher der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die Verordnung sei zu bürokratisch, bemängelt die BDA in einem Zehn-Punkte-Papier.

Als unzumutbar wird von der BDA vor allem die Bedingung angesehen, nur IT-Fachleute mit einem Hochschulabschluss nach Deutschland zu holen. Hochschulabschlüsse seien „international häufig nur schwer vergleichbar“.

Zudem fürchtet die BDA, dass die Bundesanstalt für Arbeit (BA) die alleinige Zuständigkeit für die Anwerbung reklamiert. „Sie wirbt schon im Internet Computer-Spezialisten an“, sagte der BDA-Sprecher.

Über das Misstrauen kann sich BA-Präsident Bernhard Jagoda nur wundern: „Die Branche sieht uns oft nicht als Partner.“ Um abzuschätzen, wie viele der geforderten 10.000 bis 20.000 Computer-Experten an einer Beschäftigung in Deutschland wirklich interessiert sind, hat die BA eine Homepage für Bewerber eingerichtet. Mehr als 600 Interessenten aus allen Kontinenten hätten sich in knapp einer Woche gemeldet, teilte eine Sprecherin mit, „fast alle mit einer abgeschlossenen Hochschulausbildung“.

In der Sache ähnlich, aber im Ton milder als die BDA, fällt auch die Kritik des Fachverbandes bitkom aus. In den IT-Berufen veraltere das an einer Hochschule erworbene Wissen binnen fünf Jahren, sagte bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder. IT-Experten könnten sich nur durch die Praxis fit machen. Deswegen möge die Bundesregierung auf den geforderten Hochschulabschluss verzichten. „Ansonsten freuen wir uns aber extrem über die Green Card“, so Rohleder.

Dieses Lob reichte der Adressat, Bundeskanzler Schröder, gestern an seine Kabinettsrunde weiter. Er sei zufrieden mit der Umsetzung seines Green-Card-Vorschlags, ließ er die beteiligten Ressorts wissen. Die prüfen derzeit die Verordnung auf ihre Praktikabilität. ANNETTE ROGALLA

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