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Wie lege ich Neuaktionäre rein?

Wie Sie mit übelsten Tricks beim Gang an die Börse Ihrer neuen Aktiengesellschaft einen fulminanten Start bescheren können

von HANNES KOCH

Viele Firmen führen ihre AnlegerInnen an der Nase herum. Mit neuen AktionärInnen kann man scheinbar alles machen: den Preis für Aktien beliebig erhöhen, die Zeichnungsfrist früher als geplant beenden oder unzureichende Informationen verbreiten. „Sie werden uns ihr Geld schon geben“, würden auch Sie sich denken, wären Sie Vorstand einer Firma. Dabei kümmert es Sie nicht, dass Ihre Tricks Neuaktionäre finanziell schädigen.

1 Sehen Sie zu, dass alle wichtigen Banken unter Ihrer Decke stecken

Ihre Internetfirma macht trotz einer genialen Geschäftsidee Verlust und braucht deshalb dringend Geld. Damit die roten Zahlen in der Öffentlichkeit nicht allzu breit getreten werden, holen Sie alle wichtigen Banken in das Konsortium, das Ihre Aktien an die Börse bringt. Das macht die Telekom mit ihrer defizitären Tochter T-Online auch so. Wenn erst einmal die Deutsche, die Dresdner, die Commerzbank, alle Landesbanken und auch noch Goldman Sachs als Speerspitze der angloamerikanischen Geldhäuser mit im Boot sitzen, kann gar nichts mehr passieren.

2 Sorgen Sie dafür, dass Ihre AktionärInnen keine unparteiischen Informationen bekommen

Die Konsortialbanken haben ein Interesse daran, dass sich Ihre Aktien gut verkaufen. Beim Thema „Verlust“ sind die AnlageberaterInnen in den Bankfilialen deshalb nicht gerade auskunftsfreudig. Die Ratsuchenden ernten nur mitleidiges Achselzucken. Und weil die wenigsten der dummen Börsenlaien die kleinen Banken kennen, die nicht im Konsortium sind, bleibt das Kartell des Schweigens erhalten.

3 Wenn überhaupt, geben Sie Firmendaten so spät wie möglich heraus

Auch T-Online hat seinen Börsenprospekt erst an dem Tag veröffentlicht, als die Frist für die Zeichnung der Aktien schon begonnen hatte. Dass irgendjemand die zahlreichen Informationen in der Zockerhektik noch sorgfältig zur Kenntnis nimmt, ist damit nahezu ausgeschlossen.

4 Lassen Sie die Aktien-Trottel unterschreiben, dass Sie jederzeit den Ausgabepreis erhöhen können

Ein wunderbares Verfahren zur Geldvermehrung: Die Hamburger Internetfirma Ision AG hat es im März vorgemacht. Zuerst sollten die Ision-Anteile für 53 bis 60 Euro zu haben sein. Damit wurden die NeuanlegerInnen an die Schalter der Konsortialbanken gelockt. Als sie erst einmal dort saßen, schluckten sie auch, dass die Preisspanne eventuell erhöht werden sollte: auf bis zu 69 Euro. Auch T-Online wollte dieses Verfahren anwenden, hat aber angesichts der sinkenden Börsenkurse darauf verzichtet. Wenn der Trick klappt, spült er zusätzliche Millionen in Ihre Kassen.

5 Beenden Sie die Zeichnungsfrist für Ihre Aktien früher als angekündigt

Dann gehen viele Leute leer aus, weil sie zu spät kommen. Das verstärkt die Nachfrage und treibt den Preis in die Höhe, wenn Ihre Aktien an der Börse gehandelt werden. Das macht Sie noch reicher, wenn Sie einen schönen Batzen Aktien für sich selbst zurückgelegt haben.

6 Bevorzugen Sie bei der Aktienausgabe Ihre wichtigsten Geschäftspartner

Sichern Sie die Hälfte oder mehr Ihrer neuen Anteilsscheine den Banken und Großanlegern zu. Denn mit denen machen Sie Geschäfte. Außerdem reservie- ren Sie einen ordentlichen Anteil für ein „friends & family“-Programm: alte WG-Genossen, Tanten, Onkel, Schwager. Gläubiger sollen auch nicht leer ausgehen. Ganz unwichtig sind zwar auch die KleinanlegerInnen nicht – aber sollen die sich doch um den Rest streiten.

7 Vermeiden Sie es tunlichst, allen ZeichnerInnen Aktien zukommen zu lassen

Glücklicherweise werden Ihre Aktien heillos überzeichnet sein. Sie könnten also viel mehr verkaufen, als Sie auf den Markt geschmissen haben. Deshalb denken Sie sich ein undurchsichtiges Verteilverfahren aus, bei dem nur einige KleinanlegerInnen bedacht werden. Die anderen sollen in die Röhre gucken. Das erhöht den Appetit auf Ihre Aktien und steigert wiederum den Kurs. Demokratie und Chancengleichheit im Wirtschaftsleben müssen nicht sein.

8 Verraten Sie auch nach dem Börsengang nicht, welche Kriterien der Verteilung zu Grunde lagen

Zu viele widersprüchliche Nachrichten verunsichern Neulinge nur. Wenn sie es nicht so genau wissen, vergessen sie ihren Ärger schneller und kaufen Ihnen Ihre Scheinchen auch beim nächsten Mal wieder ab. Schließlich brauche Sie bald wieder fresh money. Denn ob Ihr Betrieb jemals Gewinn macht, steht in den Sternen.

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