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„Nicht wieder ein Ghetto“

■ Yilmaz Dziewior und seine Pläne für den Kunstverein Von Hajo Schiff

Die Leitung des Kunstvereins in Hamburg hat vor einigen Wochen den Kunsthistoriker, Kurator und Autor Yilmaz Dziewior zum neuen Direktor ab 2001 gewählt. Der 35jährige Bonner aus einer Familie mit türkisch-polnischen Wurzeln hat bereits Erfahrung in der Organisation von Ausstellungen in internationalen Museen oder im unkonventionellen Ausstellungsraum „Schnitt“ in Köln und stellt zur Zeit seine Doktorarbeit über den Architekten Mies van der Rohe fertig.

taz: Der Kunstverein hat es schwer, sich zwischen Deichtorhallen, Kunsthaus und Kunsthalle zu behaupten. Muss man die Programme besser abstimmen oder eher eine Nische besetzen?

Yilmaz Dziewior: Gucken auf die anderen Institutionen ist nie verkehrt, und dies werde ich schon allein aus meiner mir eigenen Neugierde heraus tun. Ein dezidiertes Abstimmen der Programme oder gar Kooperationen würden aber meinem Verständnis der Arbeit des Kunstvereins zuwiderlaufen.

Warum das?

Dessen Arbeit unterscheidet sich grundsätzlich von der Vorgehensweise der anderen Häuser. Selbst wenn es einmal in Bezug auf eine Künstlerin oder einen Künstler zu Überschneidungen kommen sollte, so wird der Kunstverein prozessualer vorgehen und eher die gesellschaftlich relevanten Fragestellungen im Werk herausarbeiten. Ein theoretisches Begleitprogramm in Form von Readern und Vorträgen wird dies unterstützen. Darüber hinaus kann der Kunstverein wesentlich flexibler auf aktuelle Diskussionen reagieren als die großen Häuser, die ihr Programm langfris-tig festlegen müssen.

Dafür müssen Sie dann aber einen höheren Aufwand betreiben.

Ja, aber mein Ziel ist es, gerade solche Positionen im Kunstverein zu zeigen, die noch nicht die Museumsweihen genießen, wie sie in die Kunsthallen führen. Dabei strebe ich ein internationales Programm an, das zwar die Kräfte vor Ort berücksichtigt, aber weit da-rüber hinaus agiert.

Der derzeitige Direktor des Kunstvereins ist in Fachkreisen hoch geschätzt. Doch jenseits von Eröffnungen und Vorträgen sind die Räume oft gähnend leer. Ist das der Preis für ein intellektuelles Programm?

Es ist nicht die Aufgabe des Kunstvereins, in Hamburg Publikumsmagnet zu sein. Es ist schön, wenn einem dies mit einzelnen Ausstellungen gelingt, jedoch beabsichtige ich nicht, mein Programm nach möglichst hohen Besucherzahlen zu konzipieren.

Bislang wurde dem Kunstverein mangelnde Vermittlung vorgeworfen. Wie wollen Sie moderne Kunst besser vermitteln, als es bislang im Kunstverein der Fall ist?

Es wird zum Beispiel zu jedem Projekt Ordner geben, in denen die Besucher sich ausführlich über das Gezeigte informieren können. Dazu werden mindestens zwei mal in der Woche Führungen angeboten. Jahresgaben und die Veranstaltungen begleitende Publikationen sind zusammen mit Vorträgen und anderen theorieorientierten Ver-anstaltungen weitere Mittel, die Distanz zwischen Besucher und Institution zu verringern. Die Eingangshalle wird dafür in einen Vermittlungsbereich umgewandelt. Dieser soll aber nicht nur zu Eröffnungen dienen, sondern auch während der regulären Öffnungszeit als Ort der Kommunikation funktionieren.

Zuletzt haben Sie im Kölner Museum Ludwig bei der großen Ausstellung „Kunstwelten im Dialog. Von Gauguin zur globalen Gegenwart“ den aktuellen „Weltkunst“-Teil kuratiert. Ist es ein Kurzschluss zu vermuten, dass in Ihren Plänen für Hamburg auch mehr Kunst aus der sogenannten Peripherie der Kunstszene Berücksichtigung findet?

Dies ist überhaupt kein Kurzschluss. Mir geht es aber nicht da-rum, das Andere zu zeigen, sondern auf eine Tendenz zu reagieren und diese maßgeblich mitzugestalten, die für die aktuelle Kunstentwicklung von großer Bedeutung ist. Es fällt heute immer schwerer zu bestimmen, was Zentrum und was Peripherie ist und man braucht kein Hellseher zu sein, um festzustellen, dass die Entwicklung rasant zunehmen wird. Viele Künstlerinnen und Künstler, die vor wenigen Jahren aufgrund ihres zu diesem Zeitpunkt als peripher angesehenen Heimatortes vom westlichen Kunstdiskurs ausgeschlossen wurden, werden heute mit offenen Armen vereinnahmt. Dabei ist es wichtig, nicht wieder ein neues Ghetto zu schaffen, sondern die nicht-westlichen Positionen im Verbund mit westlichen zu präsentieren.

Also präsentieren Sie Künstler, die nicht aus dem euro-amerikanischen Spektrum kommen.

Nein, das nicht. Wer meine bisherigen Aktivitäten verfolgt, wird feststellen, dass ich seit mehreren Jahren auch mit Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeite, die zur Zeit unter dem Label Young German Art propagiert werden. Auch wenn ich solchen Klassifizierungen eher kritisch gegenüberstehe, wird mein Interesse an diesen Künstlerinnen und Künstlern nicht nachlassen. Grundsätzlich sehe ich aber keine Veranlassung, mich auf eine bestimmte Kunstfraktion festlegen zu lassen. Wir wissen heute, wie fraglich die Ismenbildungen der Moderne sind. Warum sollten wir also damit fortfahren?

Ganz konkret: Haben Sie schon Pläne für 2001?

Ich bin dabei, an konkreten Projekten zu arbeiten. Es macht jedoch keinen Sinn, über Dinge zu sprechen, die noch nicht hundertprozentig ausgearbeitet sind. Weder für mich, noch für die Kulturproduzenten, mit denen ich zusammenarbeite, besteht da Anlass zur Eile.

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