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CDU kämpft gegen „Müsli-Mixer“

Die CDU schießt sich mit billigen und weniger billigen Gags auf die Regierungskoalition ein. Als verfrüht erweist sich die Hoffnung von Rot-Grün, Merkel, Stoiber und Merz könnten sich um die Vorherrschaft in der Union prügeln

Aus EssenPATRIK SCHWARZ

So böse, so treffend wird Joschka Fischer selten karikiert. Seine Rückkehr von Auslandsreisen inszeniere er, als ob er sich selbst als Staatsgast empfange. Kein anderer Politiker sei so abgehoben, dass er einen seiner alten Rollkragenpullis aus dem Schrank holen müsse, damit man ihn auf den Parteitagen der Grünen überhaupt wiedererkenne. Friedrich Merz, der neue Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, nimmt den Star im Kabinett Schröder auseinander – und der CDU-Parteitag liebt ihn dafür.

Am zweiten Tag in Essen geht die CDU endgültig in die Offensive gegen Rot-Grün. Angela Merkel hat mit ihrer Rede am Vorabend den Ton vorgegeben: „Die Stunde unserer Gegner ist vorbei“, rief die neue Parteivorsitzende, „wir sind wieder da.“

Am bittersten für die Berliner Koalition dürften die Angriffe sein, die Rot-Grün beim eigenen moralischen Anspruch packen. „Wie überzeugend ist eigentlich eine Außenpolitik“, fragte Merz, die sich auf die Dritte-Welt-Bewegung berufe, der es aber trotzdem an Geld und Konzepten für die Entwicklungspolitik mangele?

Bei jeder sich bietenden Gelegenheit trage die Regierung den Anspruch von Humanität und Menschenrechten vor sich her, bei Staatsbesuchen in Russland, in China und im Iran aber „erhebt sie äußerstenfalls mahnend den Zeigefinger“.

Gefährlicher als jeder Einzelvorwurf kann der Bundesregierung allerdings die neue Einigkeit im Unionslager werden – sofern es CDU und CSU gelingt, sich in den nächsten Monaten so phalanxartig zu präsentieren wie in Essen. An Reibungsfläche hatte es auf dem Parteitag nicht gemangelt. Insbesondere von Merz und CSU-Chef Edmund Stoiber hatten manche erwartet, sie würden bei ihren Auftritten gestern eigene Ansprüche auf die Wortführerschaft in der Union anmelden. Doch die Platzhirsche Merkel, Merz und Stoiber sind einander nicht ins Gehege gekommen. Alle drei beschränkten sich auf Spötteleien, nachdem Merkel schon am Vortag gefrotzelt hatte, das bayerische Nichteinmischungsgebot „Mir san mir“ gelte nicht nur für die CSU, sondern genauso für die CDU.

Deutlich wurde vielmehr, wie eng sich CDU und CSU untereinander sowie mit ihrer Bundestagsfraktion abgesprochen haben. „Vor vier Jahren wollten die Grünen noch eine so genannte Sozialverträglichkeitsprüfung für Computer einführen“, spottete zum Beispiel Friedrich Merz, und Edmund Stoiber haute in dieselbe Kerbe: „Es gibt keine moderne Technologie, die bei den Grünen nicht schon auf dem Index stand – mit Ausnahme vielleicht des Müsli-Mixers.“

Inhaltlich weiterführend waren die Vorschläge in keiner der drei Reden, aber das gehört auf CDU-Parteitagen auch unter Angela Merkel offenbar nicht zum Programm. System hatte immerhin der Versuch, eine drohende Pleite der Kampagne gegen die Green Card abzuwenden, die von immer größeren Teilen der Union als zu defensiv empfunden wird. Bereits Merkel und Merz hatten die Ablehnung der Green Card in ihren Reden nur in stark verwässerter Form aufgenommen.

Stoiber schließlich definierte sie von einer Kampagne gegen Ausländer zu einer Aktion gegen Ausbeutung um. Mit der Green Card wolle die Wirtschaft sich Arbeitskräfte sichern, die überall und rund um die Uhr verfügbar seien. Das aber sei mit dem christlichen Menschenbild der Union nicht zu vereinbaren. So ist sie, die neue Welt der neuen Union: Edmund Stoiber schützt die Interessen deutscher wie ausländischer Arbeitskräfte gegen einen wirtschafts- und globalisierungswütigen Gerhard Schröder.

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