: Kaum Versicherung für Gen-Gefahr
Europaparlament entschärft den eigenen Richtlinien-Entwurf zur Freisetzung von Gentechnik-Organismen. Auch Antibiotikaresistenz kann bleiben. Versicherer mussten bisher nichts bezahlen – das dürfte so bleiben
von ANNETTE JENSEN
Die Manager von Gentech-Unternehmen können sich freuen: Im Europaparlament in Straßburg wurden gestern drei für sie kritische Punkte bei der neuen Richtlinie zur Freisetzung von genetisch manipulierten Organismen abgeschmettert.
So gab es gestern nicht die erforderliche Mehrheit für eine Pflichtversicherung, die für mögliche Schäden durch ihre Produkte haftet. Damit revidierte das EU-Abgeordnetenhaus gestern seine Position aus der ersten Lesung. Für die Grüne Hiltrud Breyer, die den Antrag eingebracht hatte, stiehlt sich die Gentechnik damit aus der Verantwortung: „Wenn die Freisetzungen so ungefährlich sind, wie immer behauptet wird – wo liegt denn dann das Problem einer Versicherungspflicht?“
Der Ministerrat der einzelnen Mitgliedsregierungen hatte sich von Anfang an gegen eine Zwangsversicherung ausgesprochen. Und auch die EU-Kommission war gegen den Beschluss.
Die Versicherungswirtschaft bietet zwar die Möglichkeit, sich gegen Schäden durch Genmanipulationen abzusichern, wie Regine Kaiser von der Münchener Rück bestätigt. Die Policen decken allerdings keine langfristigen Veränderungen ab. „Zu Spätwirkungen haben wir kein Datenmaterial. Insofern sind sie auch nicht versicherbar“, so Kaiser. Bisher habe man noch nie zahlen müssen. Nach deutschem Recht ist ein Unternehmen verpflichtet, für Schäden bis zu 160 Millionen Mark haften, wenn seine Genprodukte nachweislich zu Gesundheits- und Umweltschäden geführt haben. Für höhere Schäden müsste allerdings, genau wie bei Atomkraftwerken, die Allgemeinheit aufkommen.
Ein weiterer wichtiger Punkt war gestern die Abstimmung über ein Verbot von Antibiotikaresistenzgenen. Eine Studie des britischen Oberhauses fordert einen sofortigen Stopp dieser Technik, weil ansonsten eine therapeutische Katastrophe in der Human- und Tiermedizin drohe. Viele Medikamente könnten dadurch unwirksam werden. Nachdem sie in der ersten Lesung für ein Verbot derartiger Markergene gestimmt hatten, schwenkten die Parlamentarier gestern auch in diesem Punkt auf die Linie des Ministerrats ein.
Der dritte Punkt betrifft die laut Breyer „genetische Verschmutzung“ – wenn sich also zum Beispiel durch Pollenflug genveränderte Pflanzen auf dem Acker auskreuzen. Dieser Gentransfer soll nun laut Palamentsmehrheit nur noch untersucht, nicht aber per Richtlinie EU-weit ausgeschlossen werden.
Ursprünglich eingeleitet worden ist die EU-Novelle für die Freisetzungsrichtlinie noch von der alten Bundesregierung mit dem Ziel, der Industrie durch schnellere und einfachere Genehmigungen die Arbeit zu erleichtern. Doch schon damals drängten andere EU-Länder darauf, einer weiteren Deregulierung entgegenzuwirken. „Die breite Kritik in der Bevölkerung hat hier wesentlichen Einfluss gehabt“, ist sich Beatrix Tappeser vom Ökoinstitut sicher.
Nach dem Regierungswechsel schloss sich auch Deutschland dieser Position an. „Wir haben den ursprünglichen völlig umgestrickt“, sagt Ulrike Riedel, Leiterin der für Biotechnologie zuständigen Abteilung im Bundesgesundheitsministerium. Dabei habe es allerdings geharnischte Proteste von den beiden SPD-geführten Forschungs- und Wirtschaftministerien gegeben.
Auf EU-Ebene besteht dagegen inzwischen Einigkeit darüber, dass die Vermarktung von gentechnisch veränderten Produkten grundsätzlich nur auf zehn Jahre befristet erteilt wird. Außerdem ist der Hersteller verpflichtet, eine Begleitforschung zu finanzieren, die auch lange nach dem unmittelbareren Inverkehrbringen auftretende oder indirekte Schäden erfasst. Auch eine Beteiligung der Öffentlichkeit ist vorgesehen. Zusätzlich soll ein Genregister angelegt werden, bei dem Proben hinterlegt werden müssen, um den Verursacher von Schäden später besser nachweisen zu können. Zugleich sind allerdings bestimmte Genehmigungsfristen verkürzt worden.
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