: Die Ungeduld wächst
Am Tag nach dem Streik kündigt der Schulsenator an, dass es 300 Lehrerstellen mehr geben soll. Den Streikenden ist das aber zu wenig. Sie wollen noch mehr Protestpotenzial aufbauen
von JULIA NAUMANN
Der Lehrerstreik scheint Wirkung zu zeigen – wenn auch nur ein bisschen: Schulsenator Klaus Böger (SPD) hat gestern angekündigt, dass er prüfen wird, ob für das nächste Schuljahr 300 Lehrerstellen aus dem Schuljahr 2000/1 vorgezogen werden können. Ursprünglich war geplant, zum 1. August 500 neue Lehrerstellen zu schaffen. Die 300 Stellen kämen aus dem Budget des Schuljahres 2000/1, für das 600 Neueinstellungen geplant sind. Der Sprecher der Schulverwaltung, Thomas John, kündigte an, das Thema werde im Senat diskutiert. Die Finanz- und Innenverwaltung müssten zustimmen.
Der CDU-Schulexperte Stefan Schlede sagte, er unterstütze den Vorstoß: „Wir können alle nicht von der Hand weisen, dass gestern eine beeindruckende Größe auf die Straße gegangen ist.“ Die Grünen begrüßten Bögers Idee, warnten jedoch vor einem „Verschiebebahnhof“. „Wenn es tatsächlich zu einer Stellenaufstockung kommt, dann ist das ein Eingeständnis, dass er seine Position nicht durchhalten kann“, sagte der Finanzexperte Oliver Schruoffeneger.
Den Elternvertretern reichen des Senators Ankündigungen indes nicht. Wolfgang Schlaak, der im März die erste Großdemo gegen die Bildungsmisere mit organisiert hatte, forderte, dass nun die Sachthemen angepackt werden müssten. Rolf Hänisch vom Landeselternausschuss verlangte, dass die „Bewegung“ sich ausweiten müsse, um noch mehr Druck zu erzeugen. Er forderte die SchülerInnen auf, eine Großdemonstration im Frühsommer zu organisieren. Sie solle allerdings am Nachmittag stattfinden. Der Landesschülersprecher Peter Hartig kann sich das vorstellen: „Eine Demo zu organisieren ist das geringste Problem. Wichtig ist, dass die politischen Inhalte rüberkommen müssen.“ Ihm schwebt eine Demonstration auch mit Lehrern und Eltern vor. „Da ist noch viel mehr Potenzial.“
In den Streik-Schulen herrschte gestern Ungeduld, aber auch Zufriedenheit. „Wir wollen endlich, dass Herr Böger kapiert, dass es einen wirklichen Notstand gibt“, sagte eine Wilmersdorfer Lehrerin. Sie hätte es gut gefunden, wenn Böger für den Streik mehr Verständnis gezeigt hätte. „Ob die 300 Stellen wirklich kommen, das wage ich zu bezweifeln.“ Die Stimmung an der Reinhardswald-Grundschule in Kreuzberg, an der gestern zu 100 Prozent gestreikt wurde, bezeichnete die Konrektorin Maria Karkat am Tag danach als „stark und selbstbewusst“. „Wir wollen unsere gute und engagierte Arbeit weiterführen. Und dafür werden wir kämpfen“, sagte sie.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte von der Schulverwaltung gestern ein „Angebot für eine verlässliche Politik der nächsten vier Jahre.“ Dann könne auch die Konfrontation beendet werden.
Im Abgeordnetenhaus wurde gestern die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit um eine Stunde beschlossen.
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