: Die Zauberformel der USA soll noch besser werden
„H-1B“ heißt die Visumskategorie, mit der kurzfristig Engpässe bei hoch qualifizierten Arbeitskräften überwunden werden sollen. DerIndustrie ist sie noch viel zu teuer und zu restriktiv. Am besten wäre das Land mit der Aufhebung jeder Einwanderungsbeschränkung dran
WASHINGTON taz ■ „H-1B“ heißt die Zauberformel, mit der US-Arbeitgeber mit dem periodisch auftretenden Arbeitskräftemangel fertig werden sollten. Das Instrument ist tief verhasst, Amerikas Arbeitgeber wären es am liebsten los. Wenn das schon nicht geht, möchten sie wenigstens dessen Quotensystem aufheben.
Bei einer Arbeitslosigkeit von 4,1 Prozent fehlen vor allem, aber nicht nur, der amerikanischen Computer- und Softwareindustrie qualifizierte Arbeitskräfte. Das Virginia Polytechnic Institute veröffentlichte vor zwei Jahren eine Schätzung, nach der in dieser Industrie 346.000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden können. Der Bedarf an derart spezialisierten Fachkräften wird nach Schätzungen des amerikanischen Bureau of Labor Statistics für den Zeitraum 1998–2008 um hundert Prozent steigen. Dem steht eine Steigerungsrate von lediglich vierzehn Prozent für den Gesamtarbeitsmarkt gegenüber.
H-1B ist eine Visumskategorie, die geschaffen wurde, um kurzzeitige Engpässe auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt zu überwinden. Vierzig Jahre lang hatte es keine Begrenzungen nach oben für derartige Sondervisa gegeben. 1990 aber erhöhte der Kongress die Zahl derer, die in die USA immigrieren dürfen, und quotierte gleichzeitig die Zahl der H-1B-Visa auf 65.000. Der Kongress ging von der Annahme aus, eine höhere Einwanderung würde derartige Sondervisa unnötig machen.
Die Quoten waren schon jeweils Mitte des Jahres ausgeschöpft
Die Industrie lief gegen diese Begrenzung Sturm, denn die Quoten waren immer schon Mitte des Jahres ausgeschöpft. 1998 wurde sie auf 115.000 für die beiden Haushaltsjahre 1999 und 2000 erhöht. 2001 soll sie wieder auf 65.000 begrenzt werden. Arbeitgeberverbände plädieren für eine Abschaffung der Quotierung überhaupt.
H-1B-Visa werden auf drei Jahre ausgestellt, danach müssen sie erneut beantragt werden. Wer ein solches Visum hat, kann sich um Immigration und Einbürgerung – um die berühmte Green Card bzw. die amerikanische Staatsbürgerschaft – bemühen, ein Prozess, der in der Regel vier Jahre dauert. Wem das in den maximal sechs Jahren nicht gelingt, muss wieder nach Hause.
Die Beantragung von H-1B-Visa ist für die Industrie ein Albtraum an Bürokratie und Aufwand. Man muss beweisen, dass die gleiche Stelle nicht durch einheimische Fachkräfte besetzt werden kann. Dazu muss man ein halbes Dutzend Stellenausschreibungen nachweisen. Durchschnittlich kostet die Beantragung jedes H-1B-Visums den Arbeitgeber 10.000 bis 15.000 Dollar. Arbeitgeber müssen auch nachweisen, dass ihre H-1B-Angestellten ein den amerikanischen Angestellten vergleichbares Einkommen beziehen.
Der Haupteinwand gegen diese Art von zeitweiliger Arbeitsimmigration ist, dass sie unnötig wäre, wenn mehr Arbeitskräfte in den US umgeschult würden und wenn die Universitätsausbildung besser wäre. Die Gewerkschaften fürchten H-1B , weil Immigranten einheimische Arbeitskräfte verdrängen oder deren Löhne senken, die Immigranten schwerer zu organisieren sind und Missbrauch ihrer Arbeitskraft an der Tagesordnung sei.
Befürworter einer liberaleren Einwanderung verweisen darauf, dass Löhne just in den Sektoren mit einem hohen Anteil an H-1B-Migranten am schnellsten wachsen. In den Neunzigerjahren haben gut ein halbes Dutzend Studien den gezeigt – oder das Gegenteil nicht nachweisen können –, dass Immigration in die USA keine messbaren Auswirkungen auf die Lohnhöhe hat.
Missbrauch der Arbeitskraft der Kurzzeitzuwanderer ist selten
Auch Geschichten darüber, dass unter indischen Computerspezialisten Zustände wie bei mexikanischen Wanderarbeitern herrschten, finden keine statistische Absicherung. Zwischen 1991 und 1999 erhielt das amerikanische Arbeitsministerium, das dem H-1B-Programm sehr kritisch gegenübersteht, 448 Klagen oder Anzeigen. In 134 Fällen wurde Missbrauch festgestellt und in sieben Fällen wurden Strafverfahren eingeleitet – im gleichen Zeitraum wurden über eine halbe Million H-1B-Visa ausgestellt. Was die Verdrängung von amerikanischen Arbeitern durch Immigranten betrifft, rechnet eine Studie des Washingtoner Cato Institutes vor, dass jeder H-1B-Ingenieur die Nachfrage nach zwischen drei und fünf neuen Arbeitsplätzen schafft.
Deswegen sind in den amerikanischen Kongress mehrere Gesetzesvorlagen eingebracht worden, die H-1B-Begrenzung auf fast 200.000 für die beiden nächsten Haushaltsjahre zu erhöhen. Ein anderes Gesetz will eine neue Visumskategorie schaffen, das so genannte T-Visum. Es sollte ausländischen Hochschulabsolventen in den USA zu Gute kommen. Wer einen solchen Absolventen einstellen will, muss ein Gehalt von mindestens 60.000 Dollar im Jahr auszugeben bereit sein.
Am weitesten geht ein Gesetzesentwurf des inzwischen ausgeschiedenen Präsidentschaftskandidaten John McCain, der die H-1B-Visumskategorie bis zum Jahr 2006 überhaupt abschaffen will. PETER TAUTFEST
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