Kurz vor dem Ende
: 300 Kaisenbewohner

■ Eine Bremensie: Aus Notunterkünften in den Parzellen wurden Kaisenhäuser

In der zerbombten Stadt Bremen fehlte es nach dem Krieg an allem. Wegen der großen Wohnungsnot rief Bürgermeister Wilhelm Kaisen die Hansestädter dazu auf, selbst aktiv zu werden und ihre Lauben in kleine Häuser zu verwandeln. „Helft Euch selbst!“ bat er die Bremer 1945. Und das taten sie. Zehntausende zogen in die Kleingartenkolonien, ohne fließendes Wasser, Strom oder Kanalisation. Das Improvisieren und das Miteinander standen im Mittelpunkt, berichten ehemalige Bewohner.

Bis 1948 durfte auf dem Pachtland gebaut werden. Nach und nach zog es viele in den Komfort der Neubauwohnungen. Doch viele der sogenannten Kaisenbewohner wollten bleiben. Im Blockland und in der Waller Feldmark sieht man noch heute die Kaisenhäuser aufwendig umgebaut und immer noch bewohnt. Rund 300 Kaisenbewohner siedeln noch in den Kleingartengebieten, schätzt Dietmar Klepatz, Geschäftsführer des Bremer Landesverbandes der Gartenfreunde. Hinzu kommt die Zahl der „Schwarzbewohner“.

Langfristig sollen die Wohnhäuser wieder zu Kleingärten umgewandelt werden. Seit Jahren tobt in Bremen eine heftige Debatte: Nach einer Dienstanweisung von 1974 gilt, dass nur die eigentlichen Kaisenbewohner ein Bleiberecht haben. Die Häuser werden abgerissen, sobald die Bewohner ausziehen oder sterben. Strittig ist vor allem die Auslegung, ab wann ein Haus als Schwarzbau gilt.

Für den Erhalt der Häuser kämpft dagegen die Interessengemeinschaft Parzellenbewohner. Ihr Vorsitzender Walter Polz erklärt: „Seit 63 Jahren wohne ich hier. Mich kriegt keiner raus, solange ich kämpfen kann, kämpfe ich.“

Beim Bauordnungsamt hält man es für bewundernswert, was sich die Leute aufgebaut haben. Doch Gesetz sei Gesetz, und die Häuser erfüllten nicht die Ansprüche. „Wir bedauern die Emotionalität der Debatte,“ erklärt eine Mitarbeiterin. Aus Angst vor Morddrohungen traut sie sich kaum noch in die Parzellengebiete. „Aber es muss nun mal gleiches Recht für alle gelten. Und illegale Bauten sind verboten.“ Doch die Kaisenhäuser sind die Ausnahme.

Silke Plagge