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Kurzer Tresen, lange Gesichter

Der Münchner Feinkost-König Michael Käfer hat sich vom Bistro im Automobil-Forum verabschiedet, das Café imGuggenheim-Museum soll bald folgen. Die Hoffnung, dass Berlin ein zweites München wird, hat sich nicht erfüllt

von RALPH BOLLMANN

Je schicker die Kneipe, desto länger der Tresen. Das ist der Trend in Berlin.

In dieser Woche hat aber eine Theke die Gemüter erregt, die nicht einmal zwei Meter misst. Auf ihr drängelten sich am gestrigen Freitag: eine Käseglocke mit fünf Stück Blechkuchen; drei Teller mit belegten Brötchen unter Frischhaltefolie; drei kleine Flaschen Chardonnay; zwei Tassen, bedruckt mit kleinen roten Käferchen.

Berlins kürzester Tresen steht im kleinsten Guggenheim-Museum der Welt, und just diese kleinen roten Käferchen brachten ihn ins Gespräch. Denn er gehört dem Münchner Feinkost-König Michael Käfer, der vor zwei Jahren auszog, die gastronomische Wüste der künftigen Hauptstadt zu bewässern. Käfer gewann die Ausschreibung für die gesamte Reichstags-Gastronomie, und er eröffnete zwei kleine Cafés. Eines im Guggenheim-Museum Unter den Linden. Das andere im Automobil-Forum an der Friedrichstraße, im Hause des Käfer-Produzenten Volkswagen.

Das VW-Bistro hat Käfer bereits vor zwei Wochen an das benachbarte Restaurant Borchardt übergeben, und auch vom kurzen Guggenheim-Tresen will sich der Münchner trennen, sobald ein neuer Betreiber gefunden ist.

An der Spree ist nun die Schadenfreude groß. In München reichte schon Käfers Name, um der geneigten Kundschaft das Geld aus der Tasche zu ziehen. In Berlin zeigte sich das Publikum weniger begeistert von der mediokren Kost zu stattlichen Preisen, die Käfer im Reichstag feilbietet. Das Restaurant auf dem Dachgarten bevölkern hauptsächlich Touristen, die außer einer Tasse Kaffee nichts zu sich nehmen.

„Berlin wirft momentan noch keinen Gewinn ab“, gesteht Käfer-Sprecherin Marion Weiß. Von den 180 Millionen Mark Jahresumsatz entfällt nur ein knappes Zehntel auf Berlin; das erste Jahr an der Spree brachte 1,2 Millionen Mark Verlust. „Das bewegt sich absolut im Rahmen dessen, was wir als Anlaufkosten kalkuliert hatten“, sagt Weiß.

Und so hofft Käfer weiterhin auf den „ständig wachsenden Markt“ in Sachen Partyservice. Doch während in München Großunternehmen wie Siemens oder BMW für üppige Umsätze sorgen, muss die Berliner Dependance von den vergleichsweise bescheidenen Spesenetats leben, die dem hauptstädtischen Politikbetrieb zur Verfügung stehen.

Kein Wunder also, dass Käfers Küche im Reichstag die Produktion der kalten und warmen Platten spielend bewältigen kann. Das Ausweichquartier im Automobilforum wird also nicht mehr gebraucht. Mit den wenigen Tischen allein, die dort ein bisschen traurig im öden Gang stehen, glaubt Käfer das Bistro nicht betreiben zu können. Denn anders als in anderen überdachten Passagen, deren sterile Cafés sich neuerdings so großer Beliebtheit erfreuen, muss im Volkswagen-Gebäude mangels Publikumsansturm niemand fürchten, dass fremde Mäntel seine Suppe streifen. Aber vielleicht haben die Berliner einfach nur keine Lust, am verlängerten Tresen der Münchner zu sitzen.

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