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Green Cards sind nur Anfang

Unternehmer fordern schnell geeignete Arbeitskräfte ohne bürokratische Hürden. 4.000 Jobs sind offen

Für die Green-Card-Debatte kann sich Internet-Jungunternehmer Michael Heinlein nicht mehr begeistern. „Albern“ findet er die politische Diskussion. Dabei müßte der 34-Jährige höchst zufrieden sein. Wochenlang hatte Heinlein im vergangenen Sommer für seine „subscribt.com AG“ auf dem deutschen Markt nach acht Programmierern gefahndet. Vergeblich. Green Cards hätte er damals gebraucht. Aber heute? Heinlein hat inzwischen eine Tochterfirma in Bulgarien gekauft mit 15 Programmierern. Über Hochschulanforderungen für Green-Card-Kandidaten zu diskutieren, findet er müßig: „Die Unternehmen agieren doch ohnehin global.“

Mit seiner Position befand sich Jungunternehmer Heinlein auf einer Podiumsdiskussion von TelematicsPro, der Deutschen Telematikgesellschaft, in bester Gesellschaft. „Brauchen wir Green Cards für Berlin?“, hatte der Unternehmerverband gefragt. Für die IT-Branche stand die Antwort fest: Green Cards können nur ein Anfang sein.

Gisela Meister-Scheufelen von der Wirtschaftsverwaltung plädierte dafür, offensiv in den Wettbewerb um den Informations- und Kommunikationsmarkt einzutreten. „Ja, Berlin braucht Green Cards!“, forderte sie. Schließlich habe die Industrie- und Handelskammer einen Bedarf von 3.500 bis 4.000 Computerexperten ausgemacht. In den nächsten Jahren könnten weitere 30.000 Arbeitsplätze entstehen. Die Kernfrage laute: „Wie kann dieser Bedarf gedeckt werden?“

Eine Antwort hatte der Präsident des Landesarbeitsamtes, Klaus Clausnitzer, nicht zu bieten. Für ihn war der Abend ohnehin eine schwierige Mission. Seine Behörde wolle „ganz offensiv“ an die Green-Card-Initiative herangehen, versprach Clausnitzer den Wirtschaftsvertretern. Denn Fachkräfte, wie sie die Branche händeringend sucht, habe er ohnehin nicht in der Kartei. Im Gegenzug appellierte der Arbeitsamtschef aber an die soziale Verantwortung der Unternehmer: Berlin-Brandenburg investiere dieses Jahr 200 Millionen Mark für die Qualifikation von Arbeitslosen. 6.000 IT-Kräfte würden allein dieses Jahr weitergebildet. Die Industrie solle seine Angebote „wenigstens auch mal prüfen“.

Ein möglicher Grund: Die Wünsche der Telematik-Branche gehen inzwischen über die aktuelle Green-Card-Debatte hinaus. Um den Bedarf zu decken, brauche sein Unternehmen „sämtliche Kanäle“, erklärte Lutz Beilschmidt von der Condat AG. Die Green Card sei „zu wenig“.

ASTRID GEISLER

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