: Alte Hasen und blinde Kühe
RTL-Chef Gerhard Zeiler denkt laut über neue Formate nach und gibt seine eigenen Talkshows zum Abschuss frei. Zittern müssen nun die „Sorgenkinder“ Birte Karalus, Hans Meiser und Bärbel Schäfer – im Sommer laufen ihre Verträge aus
von JENNI ZYLKA
Stellen Sie sich vor, Sie wären der Geschäftsführer von RTL. Haben Sie? Gut. Sie fahren also morgens in Ihr Kölner Büro, schön am Rhein entlang, freuen sich über den Sonnenschein und darauf, dass Sie den Sender zu einem „modernen Multimedia-Unternehmen“ (RTL) reformieren wollen. Im Büro angekommen legen Sie die Füße auf den Tisch und lassen sich einen Kaffee mit den Quoten vom Vortag bringen. Und was sehen Sie da? Schon wieder schneidet Ihre „nachmittägliche Talkschiene“ mit den „aufmerksamen Fragen“ (RTL) von Birte Karalus um 14 Uhr, Bärbel Schäfer voller „Neugier und Humor“ (Schäfer über Schäfer) um 15 Uhr und Hans „Eine Klasse für sich“ Meiser (RTL) um 16 Uhr nur bescheiden ab. Um nicht zu sagen beschissen.
Der Chef wettet, dass einige Mitarbeiter gehen müssen
Sie wissen natürlich genau, dass auch die täglichen Talkshows der anderen Sender mit dem mangelnden Interesse der Zuschauer zu kämpfen haben. Aber schön ist das wahrlich nicht. Was machen Sie also? Gerhard Zeiler, seit knapp zwei Jahren RTL-Geschäftsführer, versucht’s mit Wetten: „Ich gehe jede Wette ein, dass es bei RTL in anderthalb Jahren weniger Talkshows geben wird als heute“, sagte der Mann Anfang der Woche. Kein Kunststück, laufen doch die Verträge der drei genannten Talker ohnehin im Sommer aus: Es wackeln also recht heftig die Stühle.
Die liebreizende „Dancing Queen“ Sabrina, deren Show in der Morgenschiene um 10.30 Uhr läuft, braucht sich also noch keine Sorgen zu machen, wenn sie Liebesgeschichten mit glücklichem Ausgang präsentiert. Und Talkmaster Oliver Geissens Quoten sind, im Gegensatz zur Show, gut. Aber was tun mit den Sorgenkindern Meiser, Schäfer, Karalus? Wie’s weitergeht, weiß nur der Wind, Geschäftsführer Zeiler angeblich noch nicht. Die Nachrichtenagentur dpa behauptet jedoch nun, dass Zeiler im Jahre 2001 eine neue Ein-Stunden-Serie in die Zeit zwischen 13 und 17 Uhr setzen will – das heißt, eventuell einen Meiser, eine Schäfer oder Karalus weniger.
Auch auf Hans Meiser warten Fangschuss oder Gnadenbrot
Um Zeiler bei der Entscheidung zu helfen, versetzen Sie sich jetzt bitte noch mal in seine Lage: Ene mene mu – und aus ist Karalus! Wer sonst! Hans Meiser ist schließlich der alte Hase. Der hatte ja mal echt tolle Zeiten, mit 4,8 Millionen Zuschauern. Ist zwar schon sieben Jahre her, aber nur Pferden gibt man den Fangschuss. Laut Geschäftsführer Zeiler kehrt Meiser momentan sogar wieder zu seiner „journalistischen“ Vorgehensweise zurück, unschwer zu erkennen an Themen wie „Kein Wunder, dass alle dich hassen“. Die Quote sei zwar noch nicht wirklich gestiegen, aber „wir lassen uns alle Zeit der Welt“, beruhigt Zeiler. So ein ehemaliges Zugpferd wie Meiser dürfte eben bestimmt noch ein paar Jahre länger sein Gnadengras hinter der Scheune fressen.
Nun zu Bärbel Schäfer. Show und Frau unterscheiden sich zwar weder äußerlich noch inhaltlich von Birte Karalus, aber erstens ist sie schon länger da als Birte, und zweitens hat sie den einfacheren Namen (im Ernst: „Birte Karalus“ macht die Zuschauer entweder neidisch, oder sie können den Namen weder erinnern noch aussprechen). Also muss Birte den Hut nehmen!
Ilona Christen macht’s richtig und ist schon verschwunden
Außerdem: Die 32-jährige Frankfurterin Birte, die früher beim Sportkanal DSF „auch dem mundfaulsten Fußballer interessante und witzige Geständnisse“ (RTL) entlockte, hat einiges auf dem Kerbholz – die durch alle Instanzen gehende Debatte um Jugendgefährdung durch Sex- und Gewaltthemen in nachmittäglichen Talks hatte sich schließlich vor zwei Jahren an Birtes „erfrischender und natürlicher“ (RTL) Art entzündet, mit Sexmaniacs und Exhibitionisten umzugehen. Damit herumstreiten musste sich dann aber Pro 7-Konkurrentin Arabella. Birte dagegen hat einfach ihre Themen auf ein stocklangweiliges Schäfer-Plagiat eingedampft. Weg also mit dem blonden, vorlauten Gequake über „Du willst mir ein Kind anhängen“ oder „Hilfe, ich bin hässlich, aber noch so jung“ oder was auch immer.
RTL wiegelt ab und „denkt zu diesem Zeitpunkt gar nichts!“
Jetzt kommt Ihr aktiver Part: Rufen Sie bitte umgehend bei RTL an und sagen Sie dort Bescheid. Denn in Köln weiß man wirklich noch gar nichts. Die RTL-Talkshow-zuständige Simone Danne sagt zum Beispiel: „Ich denke zu diesem Zeitpunkt gar nichts“ und bezieht das hoffentlich nicht auf ihren momentanen mentalen Zustand, sondern auf die Entscheidungen ihres Geschäftsführers. Ansonsten bestätigt sie nur, dass Herr Zeiler „wohl davon ausgeht, dass im Fernsehen generell ab 2001 weniger Talkshows zu sehen sein werden“. In Bezug auf RTL hat sie hoffentlich Recht – fünf sind fünf zu viel. Was eigentlich mit abgesetzten TalkmasterInnen passiert, darüber lässt sich nur spekulieren.
Kaum zu bändigender, inhaltsleerer Redefluss
Ilona Christen, die „Queen of voices“ der Neunzigerjahre (so wurde sie liebevoll von ihrer Produktionsfirma voice company genannt), ist seit einem Jahr von der Bildfläche komplett verschwunden, ganz und gar futsch, keiner weiß wohin. Nicht mal die Internetadresse stimmt noch.
Auch die Produktionsfirma hält sich bedeckt: „Frau Christen befindet sich nicht in Deutschland“, und mehr kann man nicht sagen. Zu einem „Sie tritt nicht mehr in der Öffentlichkeit auf“ lässt sich die voice-company-Sekretärin noch hinreißen, aber das ist mysteriöserweise alles. Ob Frau Christen womöglich in ein Kloster eingetreten ist? Kontaktlinsen und Pinguinkostüm, und schon erkennt sie keiner mehr? Und ob dieses Schicksal auch Meiser/Schäfer/Karalus drohen könnte?
Achten Sie also ab 2001 verstärkt auf neue Nonnen oder Mönche in Ihrer Nachbarschaft, die sich durch einen kaum zu bändigenden, inhaltsleeren Redefluss auszeichnen.
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