: Entwicklungshelfer Ökotourismus
Interview mit Dorival Correia Bruni, Präsident der „SociedadeBiosfera“ und Koordinator der „World Ecotour 2000“ in Bahia
von NORBERT SUCHANEK
taz: Die „World Ecotour“ ist sowohl ein internationaler Ökotourismuskongress als auch eine Ökotourismusmesse, die Biosfera alle zwei Jahre veranstalten will. Was ist Biosfera genau?
Dorival Correia Bruni: Biosfera ist eine Nichtregierungsorganisation, die vor zwölf Jahren in Rio de Janeiro gegründet wurde. Wir haben zwei Hauptziele: Verbesserung des Umweltbewusstseins in Brasilien und Förderung des Ecotourismus. Um diese Ziele zu erreichen, organisieren wir in erster Linie Bildungsseminare. Daneben veranstalten wir Kongresse und Umweltmessen in Brasilien wie die World Ecotour 2000 mit internationaler Beteiligung.
Wer finanziert Biosfera?
Biosfera finanziert sich aus Geldern von Regierung und Wirtschaft sowie durch Gebühren, die wir durch unsere Umweltbildungskurse oder Umweltmessen einnehmen.
In welchem Stadium befindet sich der Ökotourismus in Brasilien? Welchen wirtschaftlichen Stellenwert hat er in Brasilien?
Wir sind noch ganz am Anfang. Der Ökotourismus ist in Brasilien noch sehr unterentwickelt. Unsere Nachbarstaaten, Peru, Ecuador sind da schon erheblich weiter. Obwohl der größte Teil Amazoniens zu Brasilien gehört, besuchen die meisten Touristen die Amazonasgebiete Ecuadors oder Perus. Oder schauen Sie sich Costa Rica an. Costa Rica ist 170 Mal kleiner als Brasilien, erzielt aber jährlich doppelt so viele Einnahmen aus dem internationalen Tourismus wie Brasilien. Costa Rica hat dies geschafft, weil es der Tourismusindustrie deutliche Steuererleichterungen anbot. Dies führte zu einem Bauboom von schätzungsweise 300 Öko-Lodges allein von Firmen aus den USA und Kanada in Costa Rica.
Und Brasilien will nun dem Beispiel Costa Ricas folgen und verstärkt auf Ökotourismus setzen?
Ja, der Staat bietet nun der Tourismusindustrie erhebliche Anreize an. Neue Hotelprojekte sind für einen Zeitraum von zwanzig Jahren von der Steuer befreit. Zum anderen finanziert der Staat auch die notwendige Infrastruktur für diese Tourismusprojekte wie Straßen oder Kanalisation. In den kommenden fünf Jahren rechnen wir deshalb mit Investitionen von Staat und Unternehmen von wenigstens 20 Milliarden Mark zur Entwicklung des Ökotourismus allein in den 20 dazu vorgesehenen Zielgebieten in Brasilien.
Ist ihre Schätzung von 20 Milliarden Mark nicht etwas hoch gegriffen?
Nein. Der Ökotourismus ist sehr profitabel. In Brasilien wächst er derzeit um zehn Prozent jährlich, während die anderen Tourismusformen lediglich ein Wachstum von zwei Prozent haben. Außerdem warten nicht nur internationale Unternehmen aus den USA, Spanien oder Portugal seit Jahren darauf, in eine brasilianische Ökotourismusindustrie zu investieren. Einen Großteil der Investitionen erwarten wir von den privaten Rentenfonds wie von Petrobras oder Banco do Brasil. Der Pensionsfond der MitarbeiterInnen der Banco do Brasil beispielsweise finanziert bereits das rund vier Milliarden Mark schwere Sauipe-Ecotourismusprojekt, das im kommenden Jahr fertig sein wird. Hinzu kommen die staatlichen Investitionen in den zwanzig Zielgebieten zur Entwicklung der Infrastruktur, zum Bau von Flughäfen oder Straßen beispielsweise. Die staatlichen Ecotourismusprogramme Proecotur und Prodetur sehen bereits jetzt Investitionen in Höhe von insgesamt etwa 10 Milliarden Mark vor.
Wenn diese Summe tatsächlich investiert werden sollte, wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Urlauberzahlen?
Heute besuchen die meisten der etwa fünf Millionen internationalen Urlauber in Brasilien die großen Städte an der Küste wie Rio de Janeiro oder Recife und nur ein winziger Prozentsatz davon kommt wegen unserer Naturschutzgebiete nach Brasilien. In zwanzig Jahren werden sicher 50 bis 60 Prozent der Brasilienurlauber Ökotouristen sein.
Sie haben es bereits erwähnt: Costa Rica oder Ecuador haben schon vor Jahren auf den so genannten Ökotourismus gesetzt. Warum zieht Brasilien erst jetzt nach?
Noch bis vor ein, zwei Jahren hatten viele in Brasilien eine sehr romantische Idee vom Ökotourismus mit unrealistischen Vorstellungen. Aber niemand investiert in einen romantisierten Tourismus ohne moderne Infrastruktur.
Eng mit der Entwicklung des Ökotourismus verbunden ist auch ein neues Bildungsprojekt, das Sie jetzt starten wollen?
Wie Sie wissen, leben in Brasilien noch etwa 250.000 Indios in verschiedenen Reservaten vor allem im Amazonasgebiet. Siebzig Prozent der Indios aber sind unter 18 Jahre alt, die meisten ohne Chance auf eine adäquate Ausbildung. Wir wollen nun gemeinsam mit der Funai (Staatliche Indianer-Schutzbehörde), Anthropologen und Unversitäten ein Bildungsprogramm in den Indio-Reservaten starten.
Mit welchem Ziel?
Neben dem Schutz der Umwelt und der Kultur der Indiogemeinschaften soll das Programm die Basis für die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus in den Indianerreservaten schaffen.
Das brasilianische Gesetz verbietet aber den Tourismus in Indianerreservaten.
Das ist richtig. Aber wir arbeiten daran, dieses – unserer Meinung nach – falsche Gesetz zu ändern. Die Indios suchen seit Jahren nach Möglichkeiten Geld zuverdienen. Die einen lassen deshalb illegalen Bergbau in ihren Gebieten zu, lassen ihre Flüsse von Goldsuchern mit Quecksilber verseuchen oder verkaufen illegal Holz aus ihren Wäldern und zerstören dabei ihre Umwelt. Da ist es, meine ich, besser, wenn wir den indigenen Gemeinschaften als Alternative den Ökotourismus anbieten.
Wer finanziert das Bildungsprogramm?
Wir werden darin von nationalen Bergbauunternehmen sowie internationalen Firmen wie Volkswagen und von der Funai finanziell oder mit Sachspenden unterstützt.
Wann findet die nächste „World Ecotour“ statt?
Im Juni 2002 in Iguassu. Wenn sich der Trend fortsetzt, werden wir dort etwa 4.000 Kongressteilnehmer haben. In Bahia hatten wir 2.000 Teilnehmer. Bei der ersten „World Ecotour“, 1997 in Rio de Janeiro, waren es rund 1.000.
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