piwik no script img

Auf dem Weg zum Bücherverbund

Das Zeitalter der Karteikästen in Berlins Bibliotheken neigt sich nur langsam dem Ende zu. Im November 1999 fiel der Startschuss für den regionalen Onlinekatalog. Die Vollversion wurde nun auf das Jahresende verschobenvon CHRISTOPH RASCH

Literaturrecherche in Berlin bedeutet: staubige Karteikästen, veraltete Mikrofiches, undurchsichtige Systematiken und lange Bestellzeiten. Zeit und Nerven schonende Onlinesysteme sind noch immer im Aufbau. Mit gutem Beispiel voran geht der Kooperative Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV) – wenn auch mit kleinen Schritten.

Seit November bietet die KOBV-Website die Literatursuche in einem Onlinekatalog, an den bisher 15 kooperierende Bibliotheken, Uni-Kataloge und Verbünde angeschlossen sind. Fernziel ist, die 800 Bibliotheken der Region unter einen Hut zu bekommen. Die für März geplante Vollversion des KOBV-Systems ist auf Ende des Jahres verschoben worden. Solche Verzögerungen sind in Berlin nichts Neues (siehe Kasten). Dennoch „stehen ein Dutzend Bibliotheken auf unserer Warteliste“, berichtet KOBV-Projektleiter Joachim Lügger, „die lange auf die Möglichkeit eines regionalen Nachweises gewartet haben.“

Die bewusst klein gehaltene KOBV-Zentrale in Berlin-Dahlem stellt die Suchmaschinen-Software und den Server. Daneben koordiniert sie das Zusammenwirken der einzelnen Bibliotheken untereinander. Joachim Lügger erklärt seine Aufgabe so: „Wir vernetzen die Häuser untereinander und geben Denkanstöße, wie ein schneller Ausbau möglich ist.“

Ein „offenes“ Grundsatzprinzip der „Dezentralisierung, Deregulierung und Kooperation“ soll die rasche Erweiterung befördern. Denn die angeschlossenen Bibliotheken der Berliner und Brandenburger Unis und Fachhochschulen können ihre eigenständigen Katalogsysteme weiterverwenden. Heißt: Der Verzicht auf einen einheitlichen „Union Catalog“ ermöglicht den Anschluss von Bibliotheken aller Sparten, Größen und unterschiedlicher EDV-Systeme. Der Benutzer wird einfach in den lokalen Katalog weitergeschaltet, die globale Web-Suche findet jedoch parallel in allen Bibliotheken statt. Man verknüpft sich nach dem „Prinzip der Gegenseitigkeit“. Und das scheint sich zu bewähren. Die großen Universitätsbibliotheken sind jedenfalls „drin“ im KOBV, wenn auch teils als „Beta-Tester“, bis zum Launch der Vollversion.

Wichtigste Aufgabe derzeit: die schnelle Erfassung sämtlicher Buch-Bestände per EDV. Während die 2,5 Millionen Bände der Brandenburger Häuser bereits im Netz stehen, sind in der Hauptstadt bislang nur die nach 1987 erschienenen Publikationen digital katalogisiert. Das macht erst ein Drittel des Berliner Bestandes von 40 Millionen Bänden aus. Lediglich die Zeitschriften sind vollständig elektronisch erfasst.

Doch ein funktionierender Service benötigt Technik und geschultes Personal in den einzelnen Bibliotheken. Lügger: „Geld- und Personalnot in den Häusern führen bei der Erfassung und der technischen Kommunikation noch immer zu Engpässen.“ Damit jedoch steht und fällt das Konzept des KOBV.

Denn die Bibliothek als Lagerstätte eines möglichst umfangreichen Präsenz- oder Magazinbestandes soll langfristig durch eine Verknüpfung effektiver und intelligenter Such- und Liefersysteme zwischen den einzelnen Häusern ersetzt werden. „Wenn ein Medium online in allen Bibliotheken der Region abruf- und lieferbar ist, müssen es auch nicht alle Häuser einzeln ankaufen“, heißt die Rationalisierungs-Philosophie.

In der übersichtlichen Ergebnisliste der „QuickSearch“-Maske (siehe unten), die sich auch per E-Mail verschicken lässt, wird der Benutzer in die lokalen Bibliothekssysteme weitergeschaltet: Hier kann das Objekt der Begierde online bestellt oder reserviert werden.

Die Suchverbindungen reichen dabei weit über das Angebot der Bibliotheken im Märkischen Sand hinaus: Das Verzeichnis listet auch überregionale Nachweisinstrumente wie die Zeitschriftendatenbank (ZDB), den Verbundkatalog maschinenlesbarer Daten und den Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK) auf. Internationale Verbindungen, wenn es auch nur der Verweis auf die Homepage ist, reichen bis in die amerikanische Library of Congress oder die französische Nationalbibliothek.

Dem Link über den regionalen Tellerrand hinaus kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Denn dass das „Projekt nur dann Erfolg haben könne, wenn es keine regionale Insellösung bleibt“, erkannten die Initiatoren schon in der Entwicklungsphase.

Mit der gemeinsamen Such-Software Aleph500 sind die angeschlossenen Bibliotheken seit dem letzten Sommer jedenfalls auf der Höhe der Zeit. Auch Bibliotheksverbünde im Ruhrgebiet, Max-Planck-Institute oder seit kurzem die Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) arbeiten mit dieser Suchmaschine: „Ein Standard, der sich immer weiter ausbreiten wird“, vermutet Joachim Lügger.

Über den virtuellen KOBV-Katalog soll zukünftig nicht nur die elektronische Volltextsuche in digitalisierten „realen“ Buchbeständen, Fachdatenbanken externer Anbieter oder wissenschaftlichen Arbeiten möglich sein, sondern auch das Herunterladen von E-Journalen, Multimedia-Dateien und Wegweisern für die eigene Recherche im World Wide Web.

Die „Zukunftsmusik“ eines elektronischen Verbundsystems wird langsam hörbar.

„QuickSearch“-Maske: se.kobv.de:4505/ALEPH oder www.kobv.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen