: „Es braucht weiter Druck“
Die internationale Gemeinschaft soll die Kriegsparteien im Kongo zum Frieden zwingen, sagt der zivile Oppositionsführer Etienne Tshisekedi
taz: Gerade haben die verschiedenen Konfliktparteien im Kongo einen neuen Waffenstillstand ausgehandelt. Kommt jetzt der Frieden?
Etienne Tschisekedi: Die Dynamik ist da, aber es braucht weiter Druck der internationalen Gemeinschaft. Neben einer Eingreiftruppe der UNO verlange ich, ein Embargo gegen kongolesische Diamanten zu verhängen, so wie gegen die Unita in Angola. Die Wirtschaft des Kongo wird von der Mafia kontrolliert, und die einzige Ressource Kabilas und der Rebellen sind Diamanten. Zweitens verlange ich ein reelles Waffenembargo. Die Regierung Belgiens, wo der Diamantenhandel konzentriert ist, hat mir versprochen, sich mit diesem Problem zu beschäftigen.
Wie sehen Sie Ihre Rolle im Kongo heute?
Das kongolesische Volk weiß, dass ich gegen zwei Diktaturen gekämpft habe. Meine Ideen sind die einer ganzen Generation. Meine Rolle ist klar – ich tue das, wozu das kongolesische Volk mich auffordert.
Auch Präsident sein?
Warum sollte das unmöglich sein? Wenn Kabila Präsident sein kann, wieso dann nicht ich?
Ist der laufende Friedensprozess der geeignete Rahmen, um zu Wahlen zu führen, bei denen Sie sich als Präsidentschaftskandidat aufstellen können?
Wir hatten in Zaire eine Nationalkonferenz, die freie Wahlen nach einer Übergangsperiode vorsah. Während dieser Übergangsperiode sollte es einen Präsidenten mit reduzierten Funktionen geben, dazu eine Regierung der Nationalen Einheit. Die Rolle all dieser Institutionen ist es, das Volk auf Wahlen vorzubereiten.
Aber glauben Sie denn, dass die Kriegsparteien zu den Institutionen zurückkehren, die 1992 von der Nationalkonferenz ins Leben gerufen wurden?
Der Druck von innen und von außen wird sie dazu zwingen.
Gibt es denn Druck von innen?
Ja. Am Anfang hat Kabila mit viel Brutalität regiert. Das Volk hatte Angst. Heute funktioniert nichts mehr. Wir arbeiten daran, dass die Leute auf die Straße gehen. Am 8. April gab es einen Generalstreik; leider hat es geregnet. Unsere Partei hat einen neuen Generalstreikaufruf für den 17. Mai gestartet, den Jahrestag der Machtergreifung Kabilas, und es wird eine Serie von Demonstrationen geben.
Wie stehen Sie zu den Rebellen gegen Kabila? Sympathisieren Sie mit ihnen?
Meine Sympathie beschränkt sich auf das Ziel. Die Rebellen kämpfen gegen die Diktatur und gegen Kabila. Ihr erklärtes Ziel ist Demokratie. Ich kämpfe auch für Demokratie. Aber in der Praxis sind die Rebellen diktatorisch und inkompetent.
Haben Sie mit den Rebellen verhandelt?
Wir haben uns zweimal getroffen und ernsthaft diskutiert. Von daher sind wir uns einig, dass der innerkongolesische Dialog, der im Friedensprozess vorgesehen ist, zum Rahmen der Nationalkonferenz zurückführen muss.
Interview: DOMINIC JOHNSON
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen