: Rushdie in Indien
Der von einem Mordaufruf bedrohte Autor kehrt erstmals nach 13 Jahren in sein Heimatland zurück
NEU DELHI taz ■ Es war das übliche Bild: Salman Rushdie, milde ins Licht der Kamerablitze lächelnd, neben ihm ein breitschultriger junger Mann, offenbar ein Leibwächter. Doch Ort des Geschehens war nicht wie sonst New York oder London, sondern die indische Hauptstadt Neu Delhi. Zum ersten Mal nach 13 Jahren kam der verfemte Autor in seine Heimat zurück, deren Beschreibung in „Mitternachtskinder“ ihm 1980 internationale Berühmtheit beschert hatte.
Dazwischen lagen im Jahr 1989 der Roman „Satanische Verse“ und die Fatwa der iranischen Ajatollahs, die Rushdie zum Gejagten machte. Indien wurde für den Autor zu einem „Imaginary Homeland“, wie der englische Titel seines vorletzten Buchs lautete. Bereits vor dem Mordaufruf der Ajatollahs hatte die indische Regierung mit Blick auf die muslimischen Wähler die „Satanischen Verse“ verboten. So wurde für Rushdie sein Geburtsland, Inspiration seiner Romane, zur Tabuzone. Mehrmals wollte er zurückkehren, doch stets bedrohten ihn islamische Eiferer. Erst die hinduistische BJP- Regierung gab ihm ein Visum.
Die Frage war nun, ob Rushdie anlässlich der Verleihung des Commonwealth-Preises, für den er mit „Der Boden unter ihren Füßen“ in die engere Wahl gekommen war, nach Neu Delhi kommen würde. Die Organisatoren gaben sich unwissend, nur Gerüchte schwirrten herum. Um Demonstrationen zu vermeiden, verrieten die indischen Zeitungen erst am Samstag was sie wussten: Rushdie war im Land.
Am Abend der Preisverleihung stand er plötzlich in der Lobby des Hotels Oberoi. Der Hauptgast des Abends, Außenminister Singh, war plötzlich allein, weil alles sich um den Autor drängte. Mit einem Schmunzeln verriet Rushdie, er sei bereits eine Woche im Land, habe Jaipur und Agra besucht, sowie das alte Ferienhaus der Familie im Vorgebirge des Himalaya. „Die Medien nehmen immer an, du hieltest dich versteckt, wenn sie nicht wissen, wo du bist. Ich hielt mich nicht versteckt. Ich lief frei herum“, sagte Rushdie. Er habe sein Land wieder spüren wollen. Vor allem aber habe er seinem zwanzigjährigen Sohn Indien zeigen wollen. Seinem Sohn? Deepak Rushdie errötete – es war der junge Leibwächter neben dem berühmten Vater. BERNARD IMHASLY
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