: Der Störenfried
Die Grünen in Schleswig-Holstein wollen Richter Wolfgang Neskovic aus der Partei ausschließen
BERLIN taz ■ Der linke Flügel der Grünen wird schwächer. Erst vor kurzem traten zwei prominente Politikerinnen aus der Partei aus, weil sie die Atompolitik nicht mehr mittragen wollten. Vorstandssprecherin Gunda Röstel bedauerte die Austritte, und es klang so, als nähme die Parteiführung den Protest ernst und als wolle sie einen weiteren Aderlass verhindern.
Die Grünen in Schleswig-Holstein sehen das offenbar anders. Sie warten nicht ab, bis linke Kritiker austreten – sie wollen sie gezielt rausschmeißen: Am Freitag beantragte der Kieler Landesverband den Parteiausschluss des Störenfrieds Wolfgang Neskovic. Der Lübecker Richter wurde in den 90er-Jahren durch seine milden Urteile bei Verfahren gegen Marihuana-Raucher bundesweit bekannt und gilt als einer der profiliertesten Juristen in der Partei.
Neskovic ist schon lange klar: „Man will mich loswerden.“ Der versuchte Rauswurf hat ihn nicht wirklich überrascht. Was ihn ärgert, ist der Stil: Dass ein Ausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet wurde, erfuhr er am Freitag per Post. „Guten Tag Wolfgang Neskovic“, schrieb die Landesgeschäftsführerin, „mit Datum des heutigen Tages habe ich im Auftrag des Landesvorstandes einen Antrag auf Parteiausschluss bezüglich Deiner Person gestellt.“
Begründet wird der Antrag damit, dass Neskovic „der Partei schweren Schaden zufügte.“ Als Beweise führt der Landesvorstand zwei Zeitungsinterviews an, in denen Neskovic vor der schleswig-holsteinischen Landtagswahl im Februar gesagt hatte, wer grüne Ideen wählen wolle, dürfe nicht mehr grün wählen. Neskovic bestreitet diese Sätze nicht, sie seien aber aus dem Zusammenhang gerissen worden. Er vermutet, dass die Interviews nicht der einzige Grund für seinen Rauswurf sind. Im vergangenen Jahr hatte er mehrfach öffentlich die Haltung der Grünen zum Kosovo-Krieg kritisiert.
Neskovic wehrt sich entschieden gegen die Vorwürfe: „Wirklich geschadet hat der Partei nicht meine klare Haltung, sondern die Führung der Landespartei.“ Die habe sich nicht nur beim Thema Kosovo, sondern zum Beispiel auch in der Umweltpolitik von grünen Grundsätzen verabschiedet und viele Wähler vergrault. „Wenn ich der Partei geschadet haben soll, wie kann es dann sein, dass die Grünen gerade hier in Lübeck ein besseres Ergebnis hatten als im Landesdurchschnitt?“ Auch bei der letzten Kommunalwahl habe er persönlich Stimmen dazugewonnen. LUKAS WALRAFF
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