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Absurd: Freie Fahrt für zugeparkte Bürger

■ Kontrolliere doch auf unseren Wegen – tatsächlich kommen die 30 Bremer Kontrollettis viel zu selten / Mehr AufpasserInnen würden auch den Parkdruck entlasten

Der Feldzug gegen Falschparker hat schon einen leicht ranzigen Don Quichotte-Geschmack. „Es ist ein ewiger Kampf gegen Windmühlenflügel“, meint Wolfgang Reiche vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC). „Denn mit den Jahren sind die Flügel immer länger geworden.“ Der „Parkdruck“ habe zugenommen. Die Folge: Rad- und Fußwege sind verstopft mit Autos. Deshalb fordern Fahrradclub und auch der Autoclub ADAC jetzt konsequentere Kontrollen in den Vierteln.

„Geparkt wird an allen Ecken und Enden“, erklärt die Polizei: „Selbst wenn man einen abschleppt, parkt sofort der Nächste da.“ Ärger hat auch die Feuerwehr: „Es gibt immer wieder Probleme, zügig zum Einsatzort zu kommen“, kritisiert Pressesprecher Ernst Hesse. Gerade im Viertel, der Neustadt und Findorff „schummeln wir uns häufig nur per Einweisung durch“. Im Zweifelsfall werde Hand an die Karossen gelegt – „wir können doch nicht warten bis der Abschleppwagen kommt“.

In Hemelingen hat es jüngst eine Ortsbegehung nach der Sanierung der Hastedter Heerstraße gegeben: Nun sind die frisch geschaffenen Grünstreifen permanent mit Falschparkern zugestellt, klagt Beiratssprecher Kurt Schuster (SPD). „Für die ist das ein rechtsfreier Raum“, denn kontrolliert werde in den Außenbezirken kaum.

Auch für die Anwohner sei es in der Regel eine „Zumutung, sich überhaupt vorwärts zu bewegen“, erklärt ADFC-Reiche. Rollstuhlfahrer, Kinderwagen und Fahrradfahrer bleiben auf zugeparkten Wegen stecken. Das Rezept des Radler-Clubs gegen den Frust ist schlicht aber wirkungslos: Aufkleber mit der Ermahnung „Parke nicht auf unseren Wegen.“

Aber wie kann man der parkenden Masse Herr werden? Mehr Quartiersgaragen in den einzelnen Stadtteilen fordert zum Beispiel der Bremer ADAC. Die Radler dagegen wären im Notfall für mehr Poller, damit die Autos gar nicht erst auf die Wege drauf können. „Eigentlich sind wir ja gegen Poller, aber manchmal sind die nicht zu vermeiden“, erklärt Wolfgang Reiche angesichts der Zahlen vom Stadtamt: 350.000 ertappte Falschparker pro Jahr plus hohe Dunkelziffer.

ADFC und Auto-Club fordern nun verschärfte Kontrollen. Denn bislang werde fast nur an den „neuralgischen Punkten“ in der City kontrolliert, schätzt Stefan Müller vom ADAC. Aber wenn es da draußen kein Durchkommen gebe, „muss mehr überwacht werden“.

Doch mit verschärften Kontrollen sieht es schlecht aus: 36 Politessen-Stellen hat die Hansestadt. „Wir können in verschiedenen Stadtteilen leider nicht so in Erscheinung treten wie wir wollen“, gibt Stadtamtsleiter Hans-Jörg Wilkens zu. Andere Städte warten da mit Scharen von Kontrolettis auf: Rund 200 sind es im fast gleich großen Düsseldorf oder in Frankfurt.

Das Problem in Bremen sind dagegen die Sparquoten im Personalbereich. Bei Neueinstellung muss woanders gespart werden. Und das könne man sich derzeit nicht leis-ten. Dabei geht das Stadtamt davon aus, dass sich mehr Politessen „quasi selbst finanzieren“, erklärt Wilkens.

Zwar verteilt auch die Polizei „im Rahmen der Streife“ Knöllchen – rund 20 Prozent tragen sie zum Scherflein mit den Bußgeldern bei. „Unsere Hauptaufgabe liegt aber nicht beim ruhenden Verkehr“, stellt die Polizei klar.

Falschparken ist auch für das Bauressort „ein altes, in vielen Gebieten tatsächlich ein leidiges Thema“. Die Politik setze heute vor allem auf überzeugende ÖPNV-Angebote, erklärt Ressort-Sprecher Holger Bruns. Zum Beispiel soll das Bus- und Straßenbahnnetz im Umland ausgebaut werden. Auch 400 kostenlose Park&Ride-Parkplätze wurden jetzt zur Verfügung gestellt. pipe

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