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Für den Machterhalt ins Chaos

Simbabwes wirtschaftlichen Ruin hat Präsident Mugabe schon erreicht. Jetzt droht durch Rassenhass und Farmbesetzungen auch der politische

von KORDULA DOERFLER

Die Körpersprache des Verlierers war eindeutig. Steif und sehr aufrecht musste Robert Gabriel Mugabe die schwerste Niederlage seines Lebens durchstehen. Abwesend, wie in Trance, redete Simbabwes Präsident zu seinen Anhängern, nachdem er am 13. Februar die Abstimmung über eine neue Verfassung überraschend deutlich verloren hatte. Auch in Afrika können Politikerbiografien ein Ende haben.

Zum heutigen 20. Jahrestag der Unabhängigkeit kann Mugabe für sich verbuchen, das einstige Musterland in den wirtschaftlichen Ruin und an den Rand der politischen Anarchie getrieben zu haben. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 50 Prozent, die Inflationsrate bei 70 Prozent. Drei Viertel der 12 Millionen Simbabwer leben unter der Armutsgrenze; zugleich gibt die Regierung seit 1998 eine Million Dollar pro Tag für den Einsatz ihrer Armee im Kongo aus. Die internationalen Geldgeber haben ihre Zusammenarbeit eingefroren.

Der Präsident setztweiter auf Konfrontation

Das einzige, was Mugabe bleibt, ist der Machterhalt. Mit jedem noch so ungesetzlichen Mittel kämpft er um seine Pfründe. Die Kräfte aber, die Mugabe rief, drohen aus dem Ruder zu laufen. Das Lumpenproletariat aus abgerissenen Kriegsveteranen und arbeitslosen Jugendlichen, das Mugabe zur Besetzung von weißen Großfarmen aufgehetzt hat, ist nur noch durch ein Machtwort des Präsidenten zu bremsen. Der aber setzt weiter auf Konfrontation.

Bislang geht das Kalkül, Rassenhass zu schüren, nicht wirklich auf. Selbst nach dem ersten Mord an einem weißen Großbauern am Samstag dulden fast 900 Farmer die von Mugabe aufgehetzten Besetzer auf ihrem Land, und erstmals in der Geschichte Simbabwes konnte man schwarze und weiße Demonstranten Hand in Hand marschieren sehen.

Für Mugabe ist die gescheiterte Landreform ein Vehikel, um die Stimmung aufzuheizen und am Ende vielleicht einen Grund zu haben, den Notstand auszurufen. Die politische Krise aber reicht viel tiefer. Selbst innerhalb der früheren Befreiungsbewegung Zanu-PF sind Risse sichtbar. Mugabe hat sich bisher strikt geweigert, einen Nachfolger aufzubauen und neben sich zu dulden. Allzu gern sieht er sich in der Rolle des großen Versöhners, der Rhodesien 1980 in die Freiheit führte und die tödlich verfeindeten Flügel der Befreiungsbewegungen vereinigte. Simbabwes Frieden aber hielt danach auch so lange, weil sich die Nomenklatura ausgiebig bedienen durfte. Das verpflichtet zu Dankbarkeit.

Zum ersten Mal gibt es ernsthafte Opposition gegen Mugabe

Doch in der Partei wächst der Widerstand gegen den alternden Autokraten. Eine nachwachsende jüngere Generation hat erkannt, dass Mugabes Kurs selbstmörderisch ist und die Partei bei den nächsten Wahlen mit erheblichen Stimmenverlusten rechnen muss. Heute wagen es sogar Regierungsmitglieder, öffentlich von der Linie des Präsidenten abzuweichen. „Die Farmbesetzungen sollten nun aufhören“, sagte etwa Vizepräsident Joseph Msiwa letzte Woche.

Derzeit verfügt die Zanu über 147 von 150 Parlamentssitzen; Simbabwe ist faktisch ein Einparteienstaat. Doch als vorletzte Woche zum insgesamt 15. Mal die immer noch geltende Verfassung aus der Kolonialzeit geändert werden sollte, um Farmen entschädigungslos zu enteignen, wurde die erforderliche Zweidrittelmehrheit nur mit Müh und Not erreicht. Fast ein Drittel der Zanu-Abgeordneten erschien gar nicht erst zur Abstimmung. Auch das muss Mugabe eine Warnung sein.

Am gefährlichsten aber wird ihm einer werden, dessen politisches Talent Mugabe bislang sträflich unterschätzt hat. Der neue Chef der „Bewegung für einen demokratischen Wandel“ (MDC), der 48-jährige Morgan Tsvangirai, verfügt über Qualitäten, die Mugabe bisher nicht fürchten musste: Er ist jung, ehrgeizig und ein hervorragender Taktiker. Zweifellos wird die neue Bewegung, ein breites Bündnis von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, Mugabe in den Parlamentswahlen Sitze abnehmen und ihn damit weiter schwächen. Vor allem in den größeren Städten kann sich Tsvangirai wachsender Unterstützung sicher sein. Die Verhältnisse auf dem Land indessen sind kaum einzuschätzen.

Schon aber träumt Tsvangirai von einer Zweidrittelmehrheit und dem bevorstehenden Machtwechsel – möglicherweise eine gefährliche Fehleinschätzung. Sollte es der MDC auch nur gelingen, die Zweidrittelmehrheit der Zanu-PF zu brechen, wäre das ein kometenhafter Aufstieg. Wie statisch afrikanische Gesellschaften sein können, haben zuletzt die Wahlen in Namibia bewiesen, wo Sam Nujoma trotz steigender Unzufriedenheit in der Bevölkerung und einer als aussichtsreich geltenden neuen Oppositionspartei im Dezember sein bislang bestes Ergebnis einfahren konnte. Die Krise in Simbabwe ist jedoch ungleich tiefer. Je schlechter es der Bevölkerung geht, umso größer werden die Chancen der MDC.

Hoffnung auf einen Wechselmit unsicheren Aussichten

Der Vergleich mit der Lage in Sambia vor zehn Jahren liegt auf der Hand. Nach Hungeraufständen gelang es 1992 dem ehemaligen Gewerkschafter Frederick Chiluba, den langjährigen Diktator Kenneth Kaunda aus dem Amt zu jagen. Heute ist Chiluba ebenso korrupt und machtversessen wie sein Vorgänger, den komplexen Anforderungen einer Mehrparteiendemokratie hat er sich nicht gewachsen gezeigt.

Wie demokratisch Tsvangirai in Simbabwe sein wird, fragt angesichts der derzeitigen Zustände niemand. Die Hoffnung auf einen Wechsel ist verständlicherweise groß. Die MDC hat für ihre ersten 100 Regierungstage versprochen, die Truppen aus dem Kongo zurückzuholen, das aufgeblähte Kabinett zu reduzieren, die Grundlagen für eine Sanierung des Staatshaushalts zu legen und das Vertrauen der westlichen Geberländer zurückzugewinnen – ein ehrgeiziges Programm. Und: Noch ist es nicht so weit. „Ich bin bis zum Jahr 2002 gewählt“, pflegt Robert Gabriel Mugabe gern zu sagen. Die Macht wird er nicht freiwillig aufgeben.

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