Neonazis kämpfen unkontrolliert koordiniert

■ Rechtsextreme distanzieren sich offiziell von Mordaufruf gegen IG Metall-Chef

Hamburgs militante Neonazis haben offenkundig angesichts der Forderungen nach einem Verbot ihres rechten Netzwerkes Angst vor staatlicher Repression bekommen. In zwei Pressemeldungen distanzieren sich der „Hamburger Sturm“ (HS) und das „Aktionsbüro Norddeutschland“ (AN) von dem Mordaufruf gegen den Elmshorner IG Metall-Chef Uwe Zabel. „Die Aussetzung von Kopfgeld ist nicht unser Stil“, schreibt HS-Sprecher Andreas Heine. Der Itzehoer Staatsschutz sowie das Landeskriminalamt Kiel haben derweil ein „landesweites Konzept“ zur Erfassung der Täter eingeleitet.

Auch das AN um die Neonaziführer und Ex-Chefs der verbotenen Nationalen Liste, Thomas Wulff und Christian Worch, geht zu dem Aufruf „Uwe Zabel – Kopfgeld 10.000 Mark Belohnung – tot oder lebendig“ vorsichtig auf Dis-tanz: „Obgleich Uwe Zabel diesen Vorfall mit seinem ,demokratischen' Verhalten fraglos selbst he-raufbeschworen hat, halten wir eine solche Aktion für überflüssig.“

In der Tat hat es die harte Szene in der Vergangenheit stets vermieden, politische GegnerInnen per Kopfgeld öffentlich zu jagen, sondern konzentrierte sich darauf, Personen in ihren Publikationen und per Internet auf „Anti-Antifa“-Seiten zur Fahndung auszuschreiben – mit Adresse und Bild, um diese – ohne Preisgeld – „zu besuchen“. So waren in der HS-Maiausgabe '99 alle linken Jugend- und Kultureinrichtungen aus Bergedorf aufgeführt. Das Motto „Kampf der Antifa an allen Fronten“ nahmen dann „Kameraden“ auch wörtlich und verübten im Juli einen Anschlag auf das „Cafe Flop“. In der „Anti-Antifa-Homepage“ April 2000 befinden sich erneut Adressen von Gewerkschaftern und Mitgliedern des „Arbeitskreises gegen Rechts“ aus Bergedorf, „damit wir die rote Scheiße besiegen können“.

Das AN schließt in seinem „gemeinsamen Beschluss“ zum „Vorfall“ selbst nicht aus, dass „der oder die Täter unserer ,Szene' zuzuordnen sein könnten“, meint aber, dass sie den Direktiven ihres Bündnisses nicht unterstehen. Obwohl das AN damit feste Strukturen einräumt, das sogar Beschlüsse für die „Freien Nationalisten“ fasst, zeigt es Worchs und Wulffs Dilemma: Nach Beobachtungen des Hamburger Verfassungsschutzes (VS) sind die beiden zwar in der Neonaziszene noch immer „Kristallisationsfiguren“, so VS-Chef Reinhard Wagner, die darauf achten, „den politischen Kampf nicht durch Straftaten zu gefährden“. Aber es gebe inzwischen „anpolitisierte Skinheadgruppen“, die „unkontrolliert, aber koordiniert mit dem Aktionsbüro agieren“, wie Wagner sagt. Peter Müller/Andreas Speit