: Senat beschließt Bremens letzte Chance
■ Senat beschließt über Haushaltsfragen: Kultur kriegt 9,5 Millionen Mark drauf / Perschau: „Aufgabenkritische Ansätze“ (Streichung von Aufgaben) sind entscheidend für Sanierung
Nach sechsmonatigem Streit über die Höhe des Kulturetats hat der Senat gestern einen Nachschlag von jeweils 9,5 Millionen Mark für die Jahre 2000/2001 beschlossen. „Mit diesem Beschluss ist der zu niedrig verhandelte Kultureckwert auf eine akzeptable Höhe korrigiert worden“, kommentierte Kultursenator Bernt Schulte (CDU) die einstimmig gefällte Entscheidung. Ursprüngliche hatte er elf Millionen Mark zusätzlich für das laufende Jahr gefordert, zehn Millionen wollte ihm der Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) zugestehen, acht Millionen nur das Rathaus – mit 9,5 Millionen Mark ist Schulte bei dem Kuhhandel im Senat also noch einmal gut davon gekommen. (vgl. auch Seite 23)
Der Bremer Senat verabschiedete gestern die Finanzplanung für die Zeit bis 2005, für die der Stadtstaat eine „letzte Chance“ eingeräumt bekommen habe. Insgesamt rechnet das Finanzressort nicht mehr mit einem Wachstum der Einwohnerzahlen und auch nicht mit überdurchschnittlichen Steuereinnahmen. Wenn Bremens Steuereinnahmen in Folge des Investitionsprogramms über dem Bundesdurchschnitt ansteigen würde, dann wäre das unter dem Strich „bei den Einnahmen“ nur eine „Verschiebung“, erklärte der Haushalts-Experte Rüdiger Schröder: Bremen würde dann weniger aus dem Länderfinanzausgleich bekommen. Diese „Verschiebung“ sei aber Sinn des Sanierungs-Investitionen, weil nur so die Abhängigkeit Bremens gemindert werden könne.
Steuereinnahmen und Finanzausgleichs-Zahlungen zusammen liegen nach Plan für das Jahr 2000 bei 4,8 Milliarden Mark, bis zum Jahre 2005 sollen sie auf 5,5 Milliarden ansteigen. Die Kunst der Haushaltssanierung besteht darin, die Ausgaben insgesamt konstant zu halten. Die Personalausgaben steigen allerdings laut Plan von 2,6 auf 2,8 Milliarden, die Zinsausgahen steigen von 976 auf 1.070 Millionen pro Jahr, die konsumtiven Ausgaben müssen entsprechend von 3 auf 2,7 Milliarden gesenkt werden. Bei dem offiziellen Schuldenstand gibt es dabei das Phänomen, das Perschaus Amtsvorgänger Ulrich Nölle „Minustilgung“ getauft hat: Sie steigen von derzeit 16,4 auf 19,2 Milliarden Mark Ende 2005.
Verhandelt wurde in den letzten Tagen um einige vergleisweise kleinere Größen, über die vorher kein Konsens gefunden worden war. Zum Beispiel soll der Innensenator die Einführung der „zweige-teilten Laufbahn“ bei der Polizei kostenneutral einführen. Den „mittleren Dienst“ soll es dann nicht mehr geben. Aber die entfallende Fortbildung vom „mittleren“ zum „gehobenen Dienst“ ist etwa so teuer wie die höhere Entlohnung für die betroffenen Polizeibeamten, die dann direkt als „gehobener Dienst“ eingestuft werden, erklärte Perschau: 110 Stellen fallen weg.
Die Sozialsenatorin freut sich über acht Millionen Mark für eine Jugendstiftung, die bei „notwendigen Anpassungen“ im Sozialbereich abfedernd helfen soll. Polizei, Kita-Bereich und Strafvollzug sollen von den sonst geltenden Personal-Einsparquoten für die Jahre 2000 und 2001 ausgenommen werden; was dann ist, auch für die Kultur, sollen die engagierten Senats-Berater von Roland Berger klären, für die Bremen pro Jahr mehr Geld ausgeben wird als alle acht Senatorengehälter zusammengenommen ausmachen.
Derzeit müssen die Ressorts noch nicht darstellen, wie sie die drastischen Einsparungen im konsumtiven Bereich umsetzen wollen; klar ist nur, dass – wie im Kulturbereich – die Unternehmensberater den verantwortlichen Senatoren helfen sollen. Die Bereitschaft, „neue oder weiterführende aufgabenkritische Ansätze zu realisieren, entscheidet maßgeblich über den Erfolg unserer Strategie im zweiten Sanierungszeitraum“, erklärt der Finanzsenator. K.W.
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