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Ziehung der Zuschüsse

Der Stiftungsrat der Klassenlotterie verteilt heute wieder Millionen an Kultur-, Sport- und Sozialprojekte. Der Lottotopf muss immer öfter die Löcher im Landesetat stopfen

von RALPH BOLLMANN

Wenn Berlins erfolgreichste Tippgemeinschaft heute Nachmittag die neuesten Zahlen ausknobelt, dann ist der Hauptgewinn schon programmiert. Rund 150 Millionen Mark pro Jahr kann der Stiftungsrat der Deutschen Klassenlotterie unter Ausschluss der Öffentlichkeit verteilen – für Kultur und Sport, Soziales und politische Bildung. Den Lottospielern, über deren Geld das sechsköpfige Gremium verfügt, geht es dabei nicht anders als am Samstagabend: Sie können nur die Zahlen zur Kenntnis nehmen, eine Begründung gibt es nicht.

Fünfmal im Jahr spielen 6 Politiker aus der großen Koalition Schicksal: Für die CDU Fraktionschef Klaus Landowsky, Innensenator Eckart Werthebach, der Abgeordnete Uwe Lehmann-Brauns und der Bundestagsabgeordnete Dankward Buwitt; für die SPD Fraktionschef Klaus Wowereit und Schulsenator Klaus Böger.

Da mag es im offiziellen Haushalt noch so sehr knirschen, mit ein paar Tropfen aus der Ölkanne der Lotto-Millionen lief die Machtmaschine wieder wie geschmiert – eine ganz legale Form von Bimbes. In besseren Zeiten stand das Geld vor allem für die eigene Klientel bereit. Ihren Höhepunkt erreichte diese Praxis, als Landowsky vor sechs Jahren 20 Millionen Mark springen ließ, um seinem eigenen Tennisklub ein neues Stadion zu finanzieren.

Zuletzt musste der Lottotopf freilich immer öfter dazu herhalten, die Löcher im Etat des Landes zu stopfen. Knapp vier Millionen Mark flossen im vergangenen Jahr an Claus Peymanns Berliner Ensemble – Geld, das der damalige Kultursenator Peter Radunski (CDU) dem Regisseur versprochen hatte, um ihn an die Spree zu holen. „Zur Erneuerung des Repertoires“ und „zur Schaffung exemplarischer Uraufführungen“ – beides Aufgaben eines Theaters, für die eigentlich die Landeskasse aufkommen muss.

Inzwischen sind die Defizite der Theater weiter angewachsen. Allein in diesem Jahr werden die Bühnen ihre Etats voraussichtlich um 17,6 Millionen Mark überziehen. Kein Wunder also, dass sich die Begehrlichkeiten erneut auf den Lottotopf richten. Einen pauschalen Zuschuss wird der neue Kultursenator Christoph Stölzl nicht erhalten. Doch kann der Stiftungsrat den notleidenden Bühnen einzelne Projekte bewilligen und dem Senator auf diese Weise aus der Patsche helfen.

Der parlamentarischen Opposition ist die freihändige Vergabepraxis schon lange ein Dorn im Auge. „Die Berliner Lottopraxis“, sagt der grüne Fraktionschef Wolfgang Wieland, habe „im Biotop Berliner Filz immer eine zentrale Rolle gespielt“. Erst vor wenigen Wochen waren PDS und Bündnisgrüne mit Anträgen abgeblitzt, das Verfahren zu ändern.

SPD-Fraktionschef Wowereit, der heute zum ersten Mal an einer Sitzung des Stiftungsrats teilnimmt, hat sich immerhin schon für eine behutsame Reform stark gemacht. Es habe „wenig Sinn“, die Gelder an „etablierte Institutionen“ zu vergeben, statt neue Projekte zu finanzieren. Außerdem müsse man „mit dem Geld genauso sorgfältig umgehen wie mit Mitteln der öffentlichen Hand“ – ein deutlicher Seitenhieb gegen die bisherige Praxis, beispielsweise 28 Millionen Mark für eine einzige Ausstellung im Martin-Gropius-Bau zu bewilligen.

Unbeschadet von allen Spardebatten erhalten die Parteistiftungen weiterhin knapp fünf Millionen Mark jährlich. Und auch die „Berliner Fahnenschwinger e. V.“ wurden im Vorjahr bedacht – mit 50.000 Mark „für die geplante Teilnahme an der 42. Steuben-Parade in New York“.

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