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Gott ist Alanis Morissette

Seine Engelskomödie „Dogma“ brachte Generation-X-Regisseur Kevin Smith Ärger mit den Katholen

Kevin Smith mag ja ein Vollbartträger mit ein paar Pfunden zu viel sein, aber die aktuelle Inkarnation des Teufels hätte man sich doch ein wenig ungepflegter vorgestellt. Noch bevor „Dogma“, Smith’ vierter Film, überhaupt in die amerikanischen Kinos kam, verdächtigte die katholische Kirche den Regisseur bereits der Blasphemie. Die Proteste gegen die Komödie um die in einer Abtreibungsklinik arbeitende letzte Verwandte von Jesus und zwei degradierte Engel, die wieder zurück in den Himmel wollen, waren so massiv, dass der um seinen konservativen Ruf besorgte Disney-Konzern, Eigentümer der „Dogma“-Produktionsfirma Miramax, den Film in den USA lieber nicht selbst in die Kinos brachte, sondern dem Independent-Verleih Lion’s Gate überließ. Unbeirrt demonstrierten christliche Aktivisten vor den Kinos und versuchten, Aufführungen zu verhindern, ohne viel mehr über den Film zu wissen, als dass Gott von Alanis Morissette gespielt wird.

Smith, eine der größten Hoffnungen für intelligente Dialoge in Hollywood, seit sein von ihm 1994 geschriebenes und inszeniertes 27.000-Dollar-Debut „Clerks“ mehr als drei Millionen einspielte, verstand die Welt nicht mehr: „Ich habe doch nur versucht, die Leute zum Nachdenken über Gott zu bringen.“ Vor allem aber und glücklicherweise ist „Dogma“, mal abgesehen von der Aufregung, die die Katholen veranstalten, auch nur wieder ein typischer Kevin-Smith-Film. Es ist alles drin: Die Langeweile in der und die Liebe zur Provinz (New Jersey), geschwätzige Dialoge voller popkultureller Anspielungen und altkluger Weisheiten, die Lebenskrisen der Twenty-Somethings – und natürlich Jay und Silent Bob. Wie in jedem Smith-Film bilden auch in „Dogma“ der Dummschwätzer Jay und sein eher stilles Pendant Bob den kommentierenden Chor.

Wieder spielt Smith Silent Bob selbst, und die wenigen Sätze, die er für sich in seine Drehbücher schreibt, sind oft die zentralen und schönsten. In „Chasing Amy“, wo zwei Comic-Zeichner und eine überzeugte Lesbe an ihren sexuellen Prägungen zweifeln, aber gar keine Amy vorkommt, muss er sein Schweigen brechen, um dem Film in einem wundervollen Monolog über die Liebe überhaupt erst den Titel zu geben. Visuell beeindruckend sind Smith’ Filme übrigens nicht. „Das allerwichtigste ist nun mal das Drehbuch“, sagt er, „ ‚Clerks‘ sah richtig Scheiße aus.“

Geboren wurde der 29jährige Smith in Redbank, New Jersey, wo er heute noch mit Kleinfamilie lebt. Auch seine Produktionsfirma ist nicht in Hollywood, sondern in New Jersey, da wo auch sein Comic-Laden liegt und alle seine Filme angesiedelt sind. „Dogma“ beginnt zwar im Mittleren Westen, aber schnell machen sich die von den alten Smith-Kumpels Matt Damon und Ben Affleck dargestellten Engel auf nach Jersey, um dort in einer Kirche den Zugang zum Himmel zu suchen. Dass, sollten sie erfolgreich sein, dabei die ganze Menschheit mit draufgehen sollte, kompliziert die Sache. Das Drehbuch entstand angeblich, als Smith an seinem Glauben zweifelte. Wirklich ernsthaft werden religiöse Fragen aber nicht diskutiert. Das übernahm dann anschließend die Öffentlichkeit, während Smith zwar einen schreiend komischen, aber mit Gott ausdrücklich liebevoll umgehenden Film ablieferte.

Trotz, vielleicht auch wegen der Proteste spielte „Dogma“ bereits am ersten Wochenende nahezu sein gesamtes bescheidenes Budget von 10 Millionen Dollar ein. Um „Clerks“ zu finanzieren, hatte Smith noch seine Comic-Sammlung versetzt und sein Auto verkauft. Gedreht wurde damals meist nachts in der Videothek und dem Kiosk, wo Smith selbst jobbte. Eigentlich hätte er auch einfach tagsüber die Kamera draufhalten können, sind seine Drehbücher doch stets sehr genaue Beobachtungen der eigenen Generation. Der Generation, die in die Kulturgeschichte unter dem Kürzel X einging, nun aber nicht mehr als Loser oder „Slacker“ (auch ein Smith-Film) in Erinnerung bleiben will. Den Spagat zwischen Erfolg und Slackerdasein probt auch Smith: Sein Deal mit Miramax garantiert ihm relative Unabhängigkeit, der Comic-Laden ist Luxus. Parallel arbeitet er an einer auf „Clerks“ beruhenden Animationsserie und zeichnet weiterhin Comics.

Die katholische Kirche jedenfalls braucht vorerst keine Angst mehr vor ihm zu haben. „Ich werde jetzt erst mal ein Jahr frei nehmen und mich um mein Kind kümmern“, sagte er nach dem Ärger. „Ich werde zur Abwechslung mal was Anständiges machen.“ THOMAS WINKLER

Dogma“. Regie: Kevin Smith. Mit Ben Affleck, Matt Damon u.a. USA 1999, 130 Min.

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