Österreichs Regierung ist im Innern nicht stabil

Der Streit um die jüngsten Vorschläge des österreichischen Finanzministers Grasser (FPÖ) zeigt tiefe Risse in der Wiener Koalition

WIEN taz ■ Genervt von der Isolationspolitik der europäischen Partner hat Finanzminister Karl-Heinz Grasser angedroht, Österreich könne durch Zahlungsverzögerung und Boykottpolitik in den Gremien die EU blockieren. Bisher waren solche Töne nur von Jörg Haider zu hören gewesen. Das am Rande der Weltbankkonferenz in Washington aufgenommene Interview, das am Montag im Wiener Kurier veröffentlicht wurde, sorgte aber nicht nur in Brüssel für scharfe Worte. Auch innerhalb der Koalition ist diese Position umstritten.

„Österreich muss der EU stärker zeigen, dass wir das Diktat der 14 nicht hinnehmen können. Uns stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung“, erklärte der 31-jährige Minister dem Kurier: „In der EU gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Wir werden einfach sagen, dass wir eine andere Position haben. Das kann man durchhalten. Europa wird dann sehen, dass Stillstand die Folge ist. Österreich kann sich eine Vorverurteilung ohne Grund nicht länger gefallen lassen.“

Alfred Finz, seines Zeichens Staatssekretär für Finanzen und Mitglied der ÖVP, versuchte seinen Chef zwar zu verteidigen. Er sehe hinter Grassers Aussagen die Botschaft: „Die EU-Sanktionen müssen weg.“ Doch Österreich wolle seine Rolle als „treuer Vertragspartner“ nicht aufgeben. Deutlicher wurde Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, die klar stellte: „Wir werden die Beiträge wie üblich zahlen, und an ein Veto war nie gedacht.“ Unpünktlichkeit bei der Überweisung der Beiträge wäre, so rechnen die EU-Experten vor, ein Schuss ins Knie, denn damit würden automatisch Verzugszinsen fällig. Wie bringt man das dem Steuerzahler bei?

Grasser wollte wohl auch nur ein paar Punkte machen. Die EU-Sanktionen gegen Österreich sind bei der Bevölkerung alles andere als populär. Nur neun Prozent der Befragten halten die europäische Eiszeit für gerechtfertigt. Mehr als 60 Prozent würden sich eine härtere Gangart gegen die Ausgrenzung wünschen.

Dass die von Wolfgang Schüssel geführte Regierung sich ansatzweise konsolidieren konnte, führen Politologen auf das Trotzverhalten der Österreicher gegen ausländische Bevormundung zurück. Den Bonus hat allerdings in erster Linie die ÖVP einstreichen können. Die Christdemokraten haben in allen Meinungsumfragen zugelegt, Schüssel ist als Kanzler derzeit unangefochten. Und auch bei den Kommunalwahlen in der Steiermark, in Niederösterreich und Vorarlberg, die in den letzten beiden Monaten stattfanden, verzeichnete die ÖVP leichte Gewinne.

Die Freiheitlichen hingegen wirken durch ihren Einstieg in die Regierung wie entzaubert. Sie verloren nicht nur in den Gemeinden, sondern auch bei den Arbeiterkammer- und den Wirtschaftskammerwahlen, bei denen vor allem die Sozialdemokraten und die Grünen starke Gewinne verbuchen konnten.

Nicht ohne Häme konstatiert Herbert Lackner in einem Leitartikel des Wochenmagazins Profil, man könne „das Unbehagen der FPÖ ja durchaus verstehen: Da bietet sich ihr die zu Hause so lange geprobte Paraderolle der ausgegrenzten Unschuld auch auf der internationalen Bühne – und dann bekommt die ÖVP den Applaus. Das ist ungerecht.“ Und der Wiener FPÖ-Vorsitzende Hilmar Kabas klagt: „Die ÖVP hat einen schlechten Stil. Sie verkündet nach außen etwas anderes, als sie in der Koalition beschließt.“ Auf die nächstenScharmützel darf man gespannt sein.RALF LEONHARD